Alexander Gerst wird erster deutscher ISS-Kommandant - DER SPIEGEL

2022-07-01 21:57:06 By : Mr. Samuel Tang

Alexander Gerst fliegt 2018 wieder zur Internationalen Raumstation

Alexander Gerst wird als erster Deutscher Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS). "Das ist eine tolle Sache für mich", sagte der 40 Jahre alte Astronaut nach der Verkündung am Mittwoch. Der gelernte Geophysiker hatte 2014 erstmals ein halbes Jahr auf der ISS 400 Kilometer über der Erde verbracht und damals mit seinen Twitter- und Facebook-Einträgen viele Menschen bewegt.

Die zweite Mission ist nun von Mai 2018 bis November 2018 geplant. Vieles wird Gerst dann schon vertraut sein: Wieder soll es vom legendären Kosmodrom Baikonur in der Steppe von Kasachstan losgehen - und wieder werden Gerst zwei Kollegen in der Sojus-Kapsel begleiten. Erneut könnten dies ein Russe und ein US-Amerikaner sein, das steht aber noch nicht fest.

Anders als beim ersten Mal soll Gerst die Sojus-Kapsel diesmal auch mitsteuern. Das muss er jetzt erst einmal lernen: "Damit werde ich jetzt fast das ganze restliche Jahr verbringen, bis Oktober bin ich fast konstant in Russland."

In der zweiten Hälfte seines Aufenthalts soll Gerst dann sogar das formale Kommando über die Station übernehmen. Doch ein Deutscher als Chef des Außenpostens der Menschheit - könnte das womöglich problematisch sein? Gersts Antwort fällt pragmatisch aus: "Es gibt nur wenige Situationen, in denen man strikte Anweisungen geben muss. Wir sind Freunde an Bord und kennen uns seit Jahren." Schnelle Entscheidungen seien vom Kommandanten hauptsächlich in einem Notfall gefragt, wenn zum Beispiel ein Feuer ausbricht.

Klappt alles wie geplant, wird Gerst der vierte Deutsche mit mindestens zwei Raumflügen sein. Deutscher Rekordhalter ist Ulf Merbold, der zwischen 1983 und 1994 dreimal im Erdorbit arbeitete. Insgesamt waren bisher elf Männer aus Deutschland im All (siehe Fotostrecke), allerdings noch keine Frau. Eine Privatinitiative will das ändern.

Aus dem Kreis der aktuellen Raumfahrer wird eine deutsche Frau zunächst aber nicht kommen. "Wir haben im Moment leider keine deutsche Kandidatin im Astronautenkorps", hat Esa-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE erklärt.

Deutsche im All: Elf Männer, bisher keine Frau

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Mittwoch das Europäische Astronautenzentrum in Köln besucht und Gerst dort getroffen, der sie nach einem Besuch im Kanzleramt eingeladen hatte. Auch am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war die Kanzlerin zu Gast.

Zur Entscheidung über Gersts zweiten Flug sagte Merkel, sie freue sich sehr darüber, denn wie so viele andere Menschen habe sie Gerst als einen wirklichen Botschafter aus dem All kennengelernt.

Vor dem Besuch hatte Merkel den deutschen Beitrag zur internationalen Weltraumforschung gelobt. Es trete manchmal in den Hintergrund, was für eine Arbeit dahinter steckt, sagte sie. Konkret nutze die Forschung etwa der Landwirtschaft, die Satellitenbeobachtungen verwende. Hinzu kämen etwa Umwelt- und Klimabeobachtung sowie Materialforschung.

Wie lange überhaupt noch Astronauten zur ISS fliegen werden, ist derzeit unklar. Es muss sich noch zeigen, ob die Station über 2024 hinweg weiterbetrieben wird. Sollte das nicht der Fall sein, sind andere Szenarien im Gespräch: ein Dorf auf dem Mond, wie es Esa-Chef Wörner vorschwebt. Oder gar eine Mission zum Mars, wie sie sich die Nasa erträumt.

Egal um was es letztlich geht, Alexander Gerst hat bereits mehrfach versichert, dass er liebend gern dabei sein würde.

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Alexander Gerst fliegt 2018 wieder zur Internationalen Raumstation

Alexander Gerst im Training (in Köln, Dezember 2011): Jahrelang hatte sich der Geophysiker auf seinen Einsatz im All vorbereitet, unter anderem am Europäischen Astronautenzentrum in Köln. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Vor dem Abflug ins All (in Baikonur, 28. Mai 2014): Hier holen sich Gerst (l.) sowie seine Kollegen Maxim Surajew und Reid Wiseman (r.) den offiziellen Marschbefehl für ihren Einsatz. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Start im Raumschiff "Sojus TMA-13M" (in Baikonur, 28. Mai 2014): Der Flug verlief ohne Probleme. Die Kapsel brauchte nur sechs Stunden zur ISS - dank einer relativ neuen Anflugtechnik der Russen. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Beim Außeneinsatz an der ISS (7. Oktober 2014): Gerst war der Dritte, der einen Ausstieg ins freie All wagen durfte. Zusammen mit einem Kollegen reparierte er unter anderem eine defekte Kühlpumpe. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Rasur nach gewonnener Wette (27. Juni 2014): Gerst (l.) rasiert seinem US-Kollegen Steve Swanson das Kopfhaar ab. Vorausgegangen war eine Wette zum WM-Spiel Deutschland-USA - und ein 1:0-Sieg der Löw-Elf.

Faszinierende Fotos: Regelmäßig schickte Gerst faszinierende Fotos aus dem All zur Erde. So auch dieses Bild des Polarlichts. Auf Twitter berichtete er immer wieder vom Alltag auf der Station. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Antwortgeber (22. August 2014): Geduldig beantwortete Gerst während seiner Zeit im All Fragen von der Erde - auch von SPIEGEL-ONLINE-Lesern. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Selfie mit Kollegen (November 2014): Gerst und seinen Kollegen war es immer wieder wichtig zu demonstrieren, dass im All alle politischen Spannungen auf der Erde egal sind. Die multinationale Crew setzte sich immer wieder als Gruppe von Freunden in Szene.

Nach der Landung (bei Arkalyk in Kasachstan, 10. November 2014): Der Ritt in einer "Sojus"-Kapsel durch die immer dichter werdende Erdatmosphäre kann kein Spaß sein. Raumfahrer vergleichen das Gefühl des Aufpralls mit einem Autounfall. Dafür macht Gerst aber zumindest einen entspannten Eindruck. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Ehrung durch den Bundespräsidenten (in Berlin, 13. Januar 2015): Gerst erhielt rund zwei Monate nach seiner Rückkehr das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse von Joachim Gauck. "Ich bin froh und glücklich, dass ich in einem Land aufwachse, wo wir die freie Wahl haben, freie Berufswahl, wo wir etwas studieren können, auch wenn unsere Eltern vielleicht nicht reich sind", sagte Gerst in der Dankesrede. Nun fühle er die Verantwortung, ein bisschen was zurückzugeben und selbst junge Menschen zu inspirieren. Lesen Sie hier mehr dazu... 

Mit Kanzlerin Merkel (in Berlin, 5. Februar 2015): An allerhöchster Stelle durfte der Raumfahrer von seinen Erlebnissen berichten.

Sigmund Jähn (ein Flug, fast acht Tage im All): Der NVA-Militärpilot aus dem Vogtland war der erste Deutsche im All. Im August 1978 startete er in der sowjetischen Kapsel "Sojus 31" ins All - und umkreiste in der Raumstation "Saljut 6" 125 Mal die Erde. Bei der Rückkehr Jähns gab es Probleme. Der Fallschirm löste sich nicht von der Kapsel, die daraufhin durch die Steppe geschleift wurde. Jähn erlitt einen Wirbelsäulenschaden. Nach der Wende arbeitete er weiter als Berater im Raumfahrtbereich.

Ulf Merbold (drei Flüge, fast 50 Tage im All): Ende November 1983 flog Merbold als erster Nicht-US-Bürger mit einem Space Shuttle ins All, als Nutzlastspezialist bei der Mission mit dem Kürzel STS-9. Neun Jahre später, im Januar 1992, durfte Merbold dann wieder für eine Woche im Shuttle fliegen, auf der Mission STS-42. Sein letzter Aufenthalt im All war gleichzeitig der längste. Einen Monat lang war Merbold im Herbst 1994 Gast auf der russischen Raumstation "Mir".

Reinhard Furrer (l., ein Flug, sieben Tage im All): Zusammen mit zwei anderen Europäern, dem Deutschen Ernst Messerschmid (r.) und dem Niederländer Wubbo Ockels (M.), startete Furrer Ende Oktober 1985 zur D1-Mission im US-Space-Shuttle "Challenger". Furrer war begeisterter Sportpilot. Er starb im September 1995 bei einem Flugzeugabsturz auf dem Flugplatz Johannisthal. Zusammen mit einem Pilotenkollegen war er in einer historischen Maschine aus dem Zweiten Weltkrieg geflogen, die bei einer nicht fachgerecht ausgeführten Kunstflugfigur auf den Boden aufschlug.

Ernst Messerschmid (ein Flug, sieben Tage im All): Er war außer Furrer der zweite Deutsche an Bord der "D1"-Mission, des ersten von Deutschland finanzierten Flugs des Raumlabors "Spacelab" an Bord der "Challenger". Nach seiner Rückkehr lehrte er unter anderem an der Uni Stuttgart und war zeitweise Leiter des Esa-Astronautenzentrums in Köln.

Hans Schlegel (zwei Flüge, fast 23 Tage im All): Der erste Flug des Physikers war ein deutsches Doppel. Ende April 1993 ging es zusammen mit Ulrich Walter an Bord des Shuttles "Columbia" für zehn Tage ins All. 13 Jahre später durfte Schlegel noch einmal in ein Shuttle zurückkehren - und zur ISS fliegen. Bei diesem Flug, der Mission "STS 122", brachte er das europäische Labor "Columbus" ins All. Schlegel ist mit einer früheren Kollegin verheiratet. Seine Frau Heike Walpot war ebenfalls Astronautin, durfte aber nie in den Weltraum.

Ulrich Walter (ein Flug, fast zehn Tage im All): Zusammen mit Hans Schlegel war der Physiker Walter im Frühjahr 1993 für fast zehn Tage im Weltraum. Die meisten Experimente der "D2"-Mission befassten sich mit Biologie und Materialwissenschaften. Nach seiner Rückkehr arbeitete er unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und bei IBM. Seit dem Frühjahr 2003 ist er Lehrstuhlinhaber an der TU München.

Thomas Reiter (zwei Flüge, mehr als 350 Tage im All): Er ist der Rekordhalter; länger als Reiter war kein Deutscher im All. Zum ersten Mal hob er im September 1995 ab, an Bord des russischen Transporters "Sojus TM-22". Er war Teil der 20. Langzeitbesatzung der "Mir". Seine zweite Reise unternahm er mit der Shuttle-Mission "STS-121" zur Internationalen Raumstation ISS. Auch auf dieser Station war er Langzeitgast für 166 Tage. Später war Reiter im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) , dann Esa-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb.

Reinhold Ewald (ein Flug, fast 20 Tage im All): Mit dem russischen Transporter "Sojus TM-25" flog Ewald im Februar 1997 zur russischen Raumstation "Mir". Während seines Aufenthalts dort brach auf der Station ein Brand in einem Sauerstoffgenerator aus. Die Besatzung konnte das Feuer aber gerade noch rechtzeitig löschen.

Gerhard Thiele (ein Flug, gut elf Tage im All): Mit der Mission "STS-99" flog er im Februar 2000 ins All. Bei der Mission wurden 80 Prozent der Erdoberfläche kartiert. Nach dem Flug arbeitete er eine Zeit lang für die Nasa, später wurde er Chef des Astronautenzentrums der Esa in Köln.

Alexander Gerst (ein Flug, mehr als 165 Tage im All): Der Geophysiker gehört zur aktuellen Astronautenklasse der Esa. Im Jahr 2014 war er für die Mission "Blue Dot" auf der ISS - und damit der dritte Deutsche auf der Station. Bei einem Außeneinsatz half er, eine defekte Kühlpumpe auszutauschen.

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