Boston Metal: Elektrolyse als Alternative zur Stahl-Herstellung

2022-09-09 21:56:10 By : Ms. Catherine Chong

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Das Cleantech-Startup Boston Metal entwickelt eine saubere Technologie für die Gewinnung von Stahl. Wäre die globale Stahlindustrie ein Land, wäre Steel Republic der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen hinter China und den USA. Das aus dem MIT ausgegründete Unternehmen ersetzt Kohle bzw. Koks durch Elektrizität – und will damit Stahl analog zur Aluminium-Produktion in einem Elektrolyse-Verfahren herstellen.

Der globale Stahlbedarf ist atemberaubend. Benötigte die Welt im Jahr 1950 noch 189 Millionen Tonnen, so stieg diese Nachfrage bis heute auf mehr als 1,8 Milliarden Tonnen, also um den Faktor 10. Wäre „Steel Republic“ ein Land, es wäre der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen nach China und den USA – die Industrie ist heute für acht bis neun Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.

Doch damit ist die Entwicklung keineswegs abgeschlossen: Bis ins Jahr 2040 wird mit einer weiteren Verdopplung auf 3,7 Milliarden Tonnen gerechnet.

Die Stahlindustrie in Europa war jahrzehntelang von einem Technologiepfad überzeugt, der extrem aufwändig und ziemlich energieintensiv ist. Der größte Pferdefuß dabei: Im Verfahren wird Kohle bzw. Koks erhitzt, um dem Eisenerz mit dem entstehenden Kohlenmonoxid den Sauerstoff „zu klauen“. Den komplexen Herstellungsprozess von Stahl zeigt die obige Grafik anschaulich.

Doch durch dieses Andocken von einem Sauerstoff-Molekül an Kohlenmonoxid entstehen große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid, das überwiegend in die Atmosphäre entlassen wird. Eine Möglichkeit, die beispielsweise ThyssenKrupp verfolgt, wäre es daher, das Kohlendioxid vor Abgabe in die Atmosphäre herauszufiltern und zu binden oder zu speichern. Aber das macht einen ohnehin schwer wirtschaftlichen Prozess nicht wirtschaftlicher.

Insbesondere die europäische Stahlindustrie sucht daher nach Alternativen: Salzgitter Flachstahl etwa hat mit dem SALCOS-Projekt ein Verfahren beschrieben, bei dem der Kohlenstoff durch Wasserstoff ersetzt wird. Geschmeidig daran: Statt Kohlendioxid entsteht Wasser als Nebenprodukt.

Das Problem: Alleine Salzgitter benötigt Elektrolyseure mit einer Leistung von 960 Megawatt – und passend dazu gelieferten grünen Ökostrom aus Windenergieanlagen. Denkt man das weiter, braucht die Stahlindustrie alleine mehrere Tausend Windräder auf See, die kontinuierliche Leistung bringen und damit entsprechend Elektrolyseure versorgen können. Das Vorhaben ist denkbar, aber kosten- und energieintensiv.

Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass Elektrolyseure heutzutage eine relativ kontinuierliche Energiezufuhr benötigen – dadurch ist es heute eher realistisch, solche Elektrolyseure an der Küste oder direkt angedockt an Offshore-Windparks aufzustellen als dezentral verteilt in der Nähe eines Stahlwerks. Letztlich macht diese Voraussetzung das Gesamtvorhaben nicht einfacher.

Das Cleantech-Startup Boston Metal ist davon überzeugt, einen anderen Weg für die Produktion von Stahl einschlagen zu können. Die von Boston Metal entwickelte Technologie ist eine Art der Elektrolyse – sie nennen sie Molten Oxide Electrolysis. Die Kerntechnologie wurde am Massachusetts Institute of Technology entwickelt. Genauer im Labor von Professor Donald Sadoway.

Der kommunikative Wissenschaftler und seine Studenten bewiesen, dass eine Vielzahl von Metallen, Stahl eingeschlossen, in einer Molten Oxide Elektrolyse (im Labormaßstab) hergestellt werden können. So entstand mit den Co-Gründern Prof. Antoine Allanore und Dr. Jim Yurko im Jahr 2012 das Cleantech-Unternehmen Boston Metal.

Seitdem hat es das Team geschafft, den im Labor nachgewiesenen Prozess um den Faktor 1.000 zu skalieren. Mittlerweile wird das Unternehmen von Tadeo Carneiro geleitet, dem früheren CEO des weltgrößten Niob-Herstellers CBMM. Das Team arbeitet daran, die eigene Plattform-Technologie auf unterschiedliche Bereiche auszudehnen – und beispielsweise auch Metalle aus der Kategorie der Seltenen Erden zu produzieren.

Die Idee, über ein Elektrolyse-Verfahren flüssiges Metall zu erzeugen, entstand durch einen Zufall. Denn Sadoway war ursprünglich von der NASA beauftragt, ein Verfahren zu entwickleln, mit dem auf dem Mond Sauerstoff erzeugt werden kann. Bei den Tests mit der Schmelzoxid-Elektrolyse stellte sich heraus, dass als Nebenprodukt flüssiges Metall entsteht – auf der Erde natürlich wesentlich wertvoller als Sauerstoff.

Wie die Technologie funktioniert, zeigt die Grafik: Oben befindet sich eine Anode. Die Kathode bildet eine dünne Metallschicht am Boden. Die positiven und negativen Elektroden wirken zusammen – vergleichbar mit einer Pumpe, die Elektroden durch das Elektrolyt in die Kammer treibt. Der Elektrolyt ist eine Mischung aus metallischen Mineralien und anderen Oxiden.

Heizt elektrische Spannung das Gemisch auf, steigt aus dem Eisen befreiter Sauerstoff in kleinen Blasen auf. Das entstehende Metall sammelt sich am Boden. Öffnet man am Reaktor die Klappe auf der Vorderseite, fließt geschmolzenes Metall aus der Zelle.

Ein ganz ähnliches Verfahren wird auch bei der Aluminium-Produktion eingesetzt – allerdings bei deutlich niedrigeren Temperaturen. Um Roheisen zu gewinnen, sind 1.550 Grad Celsius erforderlich – für viele herkömmliche Materialien eine viel zu hohe Temperatur..

Kurz vor der Gründung von Boston Metal gelang dem Sadoway-TReam ein Durchbruch, als sie ein geeignetes Material für die Anode des Reaktors fanden: Eine kostengünstige Legierung aus Chrom und Eisen, die siesen Temperaturen standhalten kann. „Das war der Durchbruch, der Boston Metal wirklich angetrieben hat“, sagt Sadoway rückblickend.

Und dieser Durchbruch könnte in fünf bis zehn Jahren zu einer Revolution der Stahlherstellung führen. Wieso das Verfahren günstiger ist als bisherige Herstellungswege verdeutlicht die Grafik aus einer Sadoway-Präsentation:

Laut Boston Metal ist die Elektrolyse-Technologie modular, d.h. es sind keine mit klassischer Stahlerzeugung verbundenen Investitionen in Milliardenhöhe benötigt, um mit der Produktion beginnen zu können. Und auch der Energieaufwand ist ein Vorteil: Das Unternehmen rechnet mit 25 Prozent geringeren Kosten – ganz anders also als bei der Alternativ-Route mit Wasserstoff.

Mittlerweile wird Boston Metal von hochkarätigen Investoren wie Breakthrough Energy Ventures, OGCI Climate Investments, Prelude Ventures und The Engine (MIT) finanziert. mBis zur kommerziellen Reife liegt allerdings nnoch ein Weg vor dem Team: In fünf Jahren rechnet CEO Tadeo Carneiro mit einer großen Demonstrationsanlage. Deutlich früher soll die erste Technologie zur Herstellung von Ferrolegierungen marktreif sein.

Die Stahlherstellung ist weltweit einer der größten industriellen Emittenten von Treibhausgasen, der etwa acht Prozent der gesamten THG-Emissionen verursacht. Mit seiner einzigartigen Technologie der Schmelzoxid-Elektrolyse hat Boston Metal das Potenzial, die massive stahlverarbeitende Industrie zu dekarbonisieren und eine Reihe von hochwertigen Produkten auf globaler Ebene wirtschaftlich zu liefern.

Während Boston Metal kaum marktschreierisch auf sich aufmerksam macht, sondern seriös die eigene Plattform-Technologie vorantreibt, sind Auszeichnungen nicht von der Hand zu weisen. Zu beginn des Jahres war das Unternehmen erstmals auf der Cleantech 100-Liste der Cleantech Group zu finden – und vor wenigen Tagen wurde es als Tech Pioneer von Bloomberg New Energy Finance ausgezeichnet.

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