Druckabfall wie beim Cessna-Unglück? 121 Menschen flogen mit dem Geisterflug Helios 522 in den Tod | STERN.de

2022-09-16 21:47:05 By : Ms. Rightint Rightint

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Der Absturz einer Privatmaschine vom Typ Cessna Citation über der Ostsee vor dem lettischen Hafen Ventspils gibt den Ermittlern ein Rätsel auf. Die Maschine war am Sonntag auf dem Weg vom südspanischen Jerez de la Frontera nach Köln, setzte allerdings nicht zu einer Landung an. Schon zuvor war der Kontakt zwischen Bodenstationen und der Crew abgerissen. Deshalb waren Kampfjets aus Frankreich, Deutschland, Dänemark und Schweden aufgestiegen, um das Flugzeug zu verfolgen, bis es aufgrund von Treibstoffmangel an Höhe verlor und ins Meer fiel.

Experten vermuten, dass es in der Kabine des Flugzeugs einen Druckabfall gegeben hat, woraufhin die Insassen bewusstlos wurden. Bei so einem gearteten Zwischenfall kommen eigentlich Sauerstoffmasken zum Einsatz, die sowohl der Cockpit-Crew als auch den Passagieren zur Verfügung stehen.

Normalweise versucht die Crew das Flugzeug per Anfrage über die Flugsicherung in eine niedrige Flughöhe zu navigieren, weil es auf der Reiseflughöhe eines Jets von ungefähr 11.000 Metern aufgrund des Sauerstoffmangels keinerlei Überlebenschance gibt.

Der Fall des Privatjets erinnert eine eines der schlimmsten Flugzeugunglücke in Europa vor wenigen Jahren. Am 14. August 2005 war eine Boeing 737-300 der zyprischen Helios Airways in Larnaca gestartet, und die sechsköpfige Crew sollte via Athen 115 Urlauber zurück nach Prag befördern.

Doch schon kurz nach dem Start auf Zypern meldet der deutsche Flugkapitän Hans-Jürgen Merten, einem ehemaligen Piloten der Interflug, über Funk ein Problem mit dem Kühlsystem. Später bricht der Funkkontakt mit der Maschine ganz ab. Daraufhin steigen F-16 Kampfjets der griechischen Luftwaffe auf, weil die Regierung eine eventuelle Entführung oder einen Terrorakt befürchtet. In der Nähe von Athen dreht die Boeing Warteschleifen.

Einer der F-16-Piloten kann sehen, dass der Platz im Cockpit unbesetzt und der Kopilot über der Steuersäule zusammengebrochen ist. Nacheinander fallen beide Triebwerke aus, kurze Zeit später kracht das Passagierflugzeug in bergiges Gelände ungefähr 30 Kilometer nordwestlich des Athener Airports.

Keiner der 121 Menschen an Bord überlebt den Absturz. Viele von ihnen dürften bereits vor dem Aufprall aufgrund der Hypoxie, dem Sauerstoffmangel im Blut durch den Druckabfall in der Kabine, bewusstlos gewesen sein. Wird das Blut durch Atmung nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, kommt es zu Bewusstseinstrübungen, dann Ohnmacht und auch Tod.

Bei der Flugunfalluntersuchung stellte sich heraus, dass ein Drehschalter für die Kabinendruckreglung nicht auf "automatisch", sondern auf „manuell“ eingestellt war. Das war bei der Abarbeitung der Checklisten vor dem Start der Crew nicht aufgefallen. Außerdem erkannten sie wichtige akustische Warnhinweise im Cockpit nicht richtig. Das griechische Verkehrsministerium kritisierte auch mangelnde Aufsicht der zyprischen Luftsicherheitsbehörde.

In den Wochen zuvor hatte es bereits mehrere Probleme mit der Klimaanlage des Flugzeuges gegeben. Am Abend vor dem Unglücksflug war aufgrund eines Hinweises von Piloten bei der Wartung ein Drucktest der Kabine durchgeführt worden. Der Drucktest simulierte die Bedingungen, die während eines Fluges herrschen. Er blieb aber ohne Befund.

Für diesen Test war der Schalter von den Technikern auf "manuell" geschaltet und anschließend nicht auf "automatisch" zurückgestellt worden, was am Folgetag niemanden aufgefallen war.

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