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2022-07-09 06:55:53 By : Mr. CHRIS XUE

G. Kellermann und seine Frau hatten sich riesig auf die gemeinsame Mittelmeer-Kreuzfahrt ab Palma de Mallorca gefreut. Doch was sie an Bord der Boeing 737-85R der Corendon Airlines erlebt haben, lasse sich nur als "Höllenflug" bezeichnen, wie der 46-Jährige den Flug am Sonntagvormittag (12. Juni 2022) ab dem Flughafen Nürnberg beschreibt. Die Maschine musste wegen plötzlichem Druckabfall eine Notlandung vollziehen. Doch der wahre Horror begann erst danach, wie aus Kellermanns Schilderungen hervorgeht.  

"Um 7.03 Uhr haben wir mit etwas Verspätung die Landebahn verlassen. Das weiß ich, weil ich für so etwas ein kleines Faible habe", erinnert sich Kellermann gegenüber inFranken.de. Nach etwa einer Stunde Flug habe es plötzlich "im hinteren Teil der Maschine nach brennendem Kunststoff gerochen". Der mutmaßliche Co-Pilot sei gekommen, um sich nach der Ursache umzusehen. "Plötzlich hat der Pilot per Lautsprecher laut geschrien, er soll nach vorne kommen", so der Mittelfranke. 

"Dann sind die Klappen aufgegangen und die Masken sind heruntergefallen. Man hat gesehen, dass die Lage ernst wird. Der Neigungswinkel, das war schon ein echt sportlicher Sinkflug", erzählt er. Allerdings habe es ein weiteres Problem gegeben: "Die Maske gab nach kurzer Zeit keinen Sauerstoff mehr, die hat sich wie ein Vakuum zusammengezogen. Meine Frau hatte Angst zu ersticken", sagt Kellermann. Er habe die Maske weggelassen, sich aber zunehmend Sorgen um eine Rauchgasvergiftung wegen des Brandgeruchs gemacht. "Ich hab dann die FFP2-Maske aufgesetzt."

Im Flugzeug sei es sehr ruhig gewesen. Schockstarre statt Panik. Innerhalb von 20 Minuten sei die Maschine dann umgedreht und am Flughafen in Basel notgelandet. Während des Sinkflugs hätten immer mehr Passagiere über Ohrenschmerzen geklagt. "Nach der Landung wurden dann mit einem Mal die Türen geöffnet. Ich bin kein Experte, aber der Druckunterschied war so enorm, es hat einen riesigen Knall gegeben, wie eine Explosion. Dabei sind bei mehreren der Passagiere, die wir sehen konnten und noch bei vielen mehr, wie wir im Nachgang erfahren haben, die Trommelfelle geplatzt. Das Blut lief ihnen aus den Ohren", schildert Kellermann. 

Die Reisenden aus Nürnberg seien in Basel dann in einem abgesonderten Abteil im Flughafen medizinisch untersucht worden. Viele von ihnen seien direkt in die Klinik gebracht worden. Auch dem Mittelfranken sei es nicht gut gegangen. Er habe plötzlich "richtig starken Husten" gehabt, erzählt er. "Der Arzt wollte mich in auch in die Klinik einweisen, weil er nicht ausschließen konnte, dass ich einen kleinen Herzinfarkt hatte", so Kellermann. "Doch er ist nicht davon ausgegangen, dass es etwas Lebensbedrohliches ist und unser Schiff in Palma wäre sonst weg gewesen."

Weil auch auf dem Kreuzfahrt-Dampfer eine gute medizinische Versorgung gewährleistet sei, hätten seine Frau und er entschieden, weiterzufliegen. "Allerdings wurden wir in Basel immer weiter vertröstet, was den nächsten Flug angeht und wir hatten Eigenanreise gebucht", so der 46-Jährige. Auf inoffizielles Anraten einer Flughafen-Betreuerin habe er dann auf eigene Kosten einen Weiterflug um 16 Uhr gebucht. "Wir haben noch immer nichts von der Airline gehört, was das Problem war und auch nichts zu unserem Flug", sagt Kellermann. 

Doch seit Sonntagabend sei das Ehepaar nun auf dem Kreuzfahrtschiff. Dort versuchen die beiden, sich von dem Schock-Erlebnis im Nürnberger Mallorca-Flieger zu erholen. Zurück in Deutschland wollen sie sich dann noch einmal gründlich medizinisch durchchecken lassen. Bis auf leichte Hörprobleme gehe es ihm aber wieder fein, sagt G. Kellermann. "Wir hoffen einfach, dass alles gut wird und genießen unsere Reise." 

Was Passagier Kellermann als "Höllenflug" bezeichnet, ist aus Sicht der Corendon-Airline "selten", aber nicht "ungewöhnlich", wie ein Sprecher gegenüber inFranken.de sagt. Das Personal sei Fluggesellschaft sei für solche Fälle "genau trainiert", so der Sprecher.

"Nach Erreichen der Flughöhe hatte die Cockpit-Besatzung festgestellt, dass der Druck in der Kabine langsam nachlässt. Sie haben im ersten Schritt aber nichts gefunden, worauf streng nach Vorschrift beschlossen wurde, den nächsten Flughafen im Sinkflug anzusteuern. Die Crew hat sich zusätzlich entschlossen, die Sauerstoffmasken fallen zu lassen."

Dass die Masken nicht funktioniert hätten, dazu gebe es "keine Rückmeldung". Die Masken und die Sauerstoffflaschen würden "regelmäßig gewartet", so der Sprecher. "Da gibt es natürlich immer subjektive Empfindungen bei Passagieren, ob der Sauerstoff kommt oder nicht, manche wissen auch nicht, dass sie ruckartig ziehen müssen, obwohl das vor jedem Flug in der Sicherheitseinweisung erläutert wird."

Auch dass es zu einem Knall kam, infolgedessen Trommelfelle platzten, sei bei Corendon nicht bekannt. "Aktuell wird der Vorfall untersucht, wir warten noch auf den Bericht. Circa 15 Leute mussten nach der Landung medizinisch weiterbehandelt werden", heißt es von Corendon.

Und was war der Grund für den Vorfall von Nürnberg aus? "Die Maschine wurde auf Herz und Nieren geprüft, Stand heute wurde aber keine genaue Ursache gefunden, der Flieger geht dann regulär wieder in den Dienst." Das Ganze sei "nicht so ungewöhnlich, es kommt mal vor, wenn auch selten, die meisten Crews kennen das. Seit 2005 ist das bei Corendon zweimal passiert", sagt der Sprecher. 

Insgesamt seien "über 150 Passagiere am Sonntagabend mit uns nach Mallorca geflogen, es gab einige, die nicht mehr mit uns fliegen wollten, die haben sich um eine Ersatzbeförderung gekümmert". Wer medizinisch versorgt werde und zurück nach Deutschland wolle, solle wegen Anfragen zu Transportkostenübernahmen "mit unserem Kundencenter Kontakt aufnehmen", sagt der Sprecher der Corendon-Airlines. 

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