Warum von der Leyens „EU-Wasserstoffbank“ eine schlechte Idee ist – EURACTIV.de

2022-09-16 21:47:48 By : Ms. Cary Zhu

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DISCLAIMER: Die hier aufgeführten Ansichten sind Ausdruck der Meinung des Verfassers, nicht die von EURACTIV Media network.

Von: Jonas Helseth | übersetzt von Martin Herrera Witzel

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Gründung einer "europäischen Wasserstoffbank" angekündigt, die mit 3 Milliarden Euro ausgestattet werden soll, um den Kauf von Wasserstoff auf dem EU-Markt zu gewährleisten. [EPA-EFE/CHRISTOPHE PETIT TESSON]

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Jonas Helseth ist Direktor des EU-Büros der Umwelt-NGO Bellona, die sich für Dekarbonisierungsstrategien in der Gesellschaft einsetzt.

Die Rede zur Lage der Union von Kommissionspräsidentin von der Leyen folgte erwartungsgemäß und verständlicherweise der Linie der jüngsten EU-Politik zur Ukraine und zu Russland und ging auf die Energiekrise ein – insbesondere mit den mit Spannung erwarteten Plänen zur Deckelung der Energiepreise.

Ein bestimmtes Element der Rede der Präsidentin kam jedoch nicht nur für Außenstehende, sondern offenbar auch für viele ihrer Kommissionskollegen überraschend: die Ankündigung, „eine neue europäische Wasserstoffbank zu schaffen.“

Es gab bereits Anzeichen dafür, dass diese Kommission eine leichte Beute für den Wasserstoff-Hochjubel war. Einem Rummel, der ihre Führung erfasst zu haben scheint.

Wir sehen jetzt eine Abkehr von den ursprünglich zitierten Gründen für die Förderung von Wasserstoff: eine erneuerbare Alternative zu fossilen Brennstoffen zu bieten, den EU Green Deal zu unterstützen und die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Wasserstoff, ein bekannter Energieträger, wird zunehmend als Energiequelle präsentiert. Und damit auch als Lösung für die derzeitige Energieversorgungskrise in Europa angesehen. Wasserstoff ist jedoch keine Energiequelle, sondern eine Energiesenke.

Für seine Herstellung (wenn er nicht aus Erdgas gewonnen wird, von dem hoffentlich nur noch wenige glauben, dass man sich darauf verlassen sollte) werden Unmengen an Strom für die Elektrolyse benötigt, ein energieintensiver Prozess zur Aufspaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff.

Damit Wasserstoff erneuerbar ist, muss der gesamte Strom natürlich aus erneuerbaren Energiequellen stammen.

Heutzutage sind die europäischen Stromnetze fast alle stark von fossilen Brennstoffen abhängig, sodass netzgekoppelte, stromhungrige Elektrolyseure an den meisten Standorten sowohl die Emissionen als auch die Nachfrage nach Grundlaststrom erhöhen werden. Das heißt, die Nachfrage nach nicht variablen Energiequellen wie Kohle, Gas und Atomkraft.

Dies wurde von der Wasserstofflobby lange Zeit als notwendiges, vorübergehendes Übel in der Ausbauphase der Lösung angesehen, die unsere zukünftigen Volkswirtschaften brauchen.

Selbst wenn wir den Klimanotstand und die Energiekrise ignorieren würden, könnten solche Argumente nur akzeptiert werden, wenn die Pläne für den Ausbau der Elektrolyse durch einen (mindestens) ähnlichen Ausbau der erneuerbaren Energien ergänzt würden.

Ohne klare und transparente Regeln, die eine solche Zusätzlichkeit vorschreiben, wird die Ausweitung der Elektrolyse in der EU nicht nur kurzfristige negative Folgen haben, sondern die gesamte Energiewende kannibalisieren – unsere Bemühungen, unseren derzeitigen Strombedarf zu dekarbonisieren.

Der von der Kommission angeheizte Wirbel um Wasserstoff hat dazu geführt, dass verschiedene Sektoren Ankündigungen in der Kategorie ‚Wasserstoffbereitschaft‘ gemacht haben.

Dieser Begriff steht für eine Umstellung auf gasbetriebene Kraftstoffe mit der Möglichkeit, auf Wasserstoff umzusteigen, sobald dieser in großem Maßstab verfügbar ist. Diese Logik der ‚Wasserstoffbereitschaft‘ bildete die Grundlage für die Kennzeichnung von Gasinvestitionen als ’nachhaltig‘ im Rahmen der EU-Taxonomie.

Vor allem in der EU-Stahlindustrie haben wir eine Reihe solcher Ankündigungen gesehen, zuletzt diesen Monat von ThyssenKrupp. Letztes Jahr hat Tata Steel Netherlands dasselbe getan.

Wir haben eine Fallstudie erstellt, aus der hervorging, dass acht Windparks von der Größe des größten bestehenden Windparks erforderlich wären, um Tata in Ijmuiden zu dekarbonisieren.

Klingt gut, oder? Nur gibt es keinen Plan für den Bau dieser zusätzlichen Windparks. Die niederländische netzgekoppelte Elektrolyse in großem Maßstab wird noch lange Zeit auf Kohle und Gas angewiesen sein!

Die EU-Stahlindustrie befindet sich in einer verzweifelten Lage, da sie dazu angehalten wurde, „auf Wasserstoff umzusteigen.“ Der Plan war, die Stahlwerke mit Gas zu betreiben, bis genügend Wasserstoff verfügbar ist.

Inzwischen ist Gas unerschwinglich, was die Kommission dazu veranlasst hat, ihre Nachhaltigkeitskriterien für „grünen“ Wasserstoff weiter zu verwässern, um den Ausbau der Elektrolyse für die Wasserstoffversorgung zu fördern.

Das Ergebnis? Eine öffentlich subventionierte, elektrolysegetriebene Nachfrage nach unseren bereits unter Druck stehenden Stromnetzen. Das bedeutet, dass der Rest von uns, Verbraucher und Unternehmen, noch mehr für das bezahlen werden, was übrig bleibt.

Das bringt uns zurück zum Kernpunkt: Wasserstoff ist keine Energiequelle. Seine Herstellung erfordert große Mengen an Energie. Energie, die wir derzeit nicht haben, daher die Energiekrise.

Wenn von der Leyen nun ankündigt, 3 Milliarden Euro an Steuergeldern „für den Aufbau des zukünftigen Wasserstoffmarktes“ bereitzustellen, bedeutet das nicht, dass die Produktion erneuerbarer Energien angekurbelt oder der Energiebedarf gesenkt wird. Es steigert die Energienachfrage, ihre Kosten und Emissionen.

Die einzige Möglichkeit, unsere Abhängigkeit von Gas zu beenden, besteht darin, unsere erneuerbaren Energieressourcen in der Ausbauphase so effizient wie möglich zu nutzen: Direkte Elektrifizierung, wo immer sie möglich ist, zahlt sich am meisten aus.

Dieses obsessive, fehlgeleitete Beharren auf Wasserstoff als Ersatz für russisches Gas wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verlängern, den Green Deal der EU zunichtemachen, die Energiekosten für Verbraucher und Unternehmen noch weiter in die Höhe treiben und das Risiko einer weiteren Rezession mit sich bringen.

Zu allem Überfluss scheint das Europäische Parlament ebenso wie die Kommission vom Wasserstoff-Hochjuble besessen zu sein. Umso schlimmer ist es, dass das Europäische Parlament dem Wasserstoff-Hype ebenso verfallen ist wie die Kommission.

Erst vor Kurzem ist der Änderungsantrag der Abgeordneten Pieper zu Artikel 27.3 der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED) angenommen worden.

Der gebilligte Änderungsantrag schlägt vor, erneuerbaren (‚grünen‘) Wasserstoff mit massiven negativen Auswirkungen auf das Klima bis weit nach 2030(!) grün zu waschen.

Elektrolyseure, die an das Stromnetz angeschlossen sind, müssen nicht mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Sie dürfen mit fossilen Energieträgern betrieben werden, werden aber in der EU als ‚erneuerbar‘ eingestuft und erhalten Subventionen.

Der Grund dafür ist die „Flexibilität“, um eine Industrie auszubauen, die uns in eine selbstverschuldete Rezession treiben könnte. Da der gesellschaftliche Preis offensichtlich wird, wird der politische Preis mindestens genauso hoch sein.

Von der Leyen schloss ihre heutige Ankündigung der Wasserstoffbank mit den Worten: „Das ist unser Green Deal für Europa.“ Wenn dies zutrifft, sollte Timmermans, Vizepräsident für Klima, unverzüglich zurücktreten.

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