Wellness-App oder Medizinprodukt?

2022-09-09 21:59:23 By : Ms. Tina Wong

Wann sind Produkte, die die Leistung des menschlichen Körpers messen, noch Wellness-Apps und wann schon Medizinprodukte? Am Beispiel der webbasierten Software Breathment zeigt der Gastbeitrag, wie eine Klassifizierung aussehen kann.

Wellness-Apps und Apps mit einer medizinischen Zielsetzung haben einen ähnlichen Anwendungsbereich. Produkte, die die Leistung des menschlichen Körpers messen, können bei gleicher Grundfunktion, durch die unterschiedliche Zweckbestimmung nach dem Risiko kategorisiert werden. Die folgende Tabelle dient zur Orientierung über die Vielfalt der Klassifizierung am Beispiel verschiedener Pulsmessungsfunktionen. Die Klassifizierung kann je nach Verwendungszweck variieren:

Breathment ist eine webbasierte Software für medizinisches Fachpersonal und ihre Patienten, die die Atemphysiotherapie unter der Kontrolle des Fachpersonals digitalisiert. Sie leitet Patienten mit Atemwegserkrankungen an, wie sie richtige Atem- und Körperübungen durchführen. Breathment gibt den Patienten durch seiner auf KI basierten Technologie ein sofortiges Feedback zu ihrer Leistung, während das medizinische Fachpersonal eine detaillierte Analyse ihrer Leistung erhält. Ziel ist es, dem medizinischen Fachpersonal die lückenlose digitale Behandlung von Atemwegserkrankungen zu ermöglichen und ihren Patienten eine kontinuierliche, datengestützte Betreuung von jedem Ort aus ohne Anwesenheit des medizinischen Fachpersonals zu bieten.

Bei der Bewertung der technischen Möglichkeiten von Breathment lassen sich verschiedene Gründe für die Klassifizierung als Wellnessprodukt, Medizinprodukt der Klasse I oder der Klasse IIa DiGA (Digitale Gesundheitsanwendungen) finden. Daher ist es wichtig, die Zweckbestimmung des Produkts zu spezifizieren.

Neben der europäischen Medizinprodukteverordnung (engl. Medical Device Regulation, MDR), die das Medizinprodukt definiert und im Anhang VIII entsprechende Klassifizierungsregeln bereitstellt, ist der MEDDEV-Leitfaden für Borderline-Produkte zu beachten. Darüber hinaus gibt es einen MDCG-Leitfaden zur Klassifizierung von Medizinprodukten. Es ist wichtig, dass jede Funktion des Produkts einzeln bewertet wird. Die Einstufung erfolgt nach der Funktion mit der höchsten Risikoeinstufung. Deutschland hat außerdem ein digitales Gesundheitsprogramm, die DiGA. Die vorläufige Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis kann als Medizinprodukt der Klasse I oder IIa beantragt werden, wenn die GSPR (General Safety And Performance Requirements) unter MDR erfüllt sind. Nach der vorläufigen Registrierung gibt es ein 12-monatiges Zeitfenster für die Durchführung einer Studie zum Nachweis des positiven Behandlungseffekts. Der Antrag ist der entscheidende Schritt zur Erstattungsfähigkeit innerhalb der Regelversorgung der gesetzlichen Krankenkassen.

Die richtige Atmung ist bei vielen Disziplinen (z. B. Yoga) und auch für die Gesundheit wichtig. Eine App, die Atemübungen für diese Nutzung unterstützt, wird als Wellnessprodukt angesehen, da kein Anspruch auf einen medizinischen Nutzen erhoben wird. Dies gilt auch, wenn die Ausführung von Atemübungen von einer KI analysiert wird. Die Verwendungszwecke könnten so lauten: Planen und verfolgen der Übungen und Vergleich der Ausführung mit dem Zeitplan. Zu vermeidende Claims wäre die Erhebung von medizinischen Daten und die Diagnose der Krankheit. Vermarkten könnte man Breathment als KI-basierte Atemtrainings-App für alle Situationen, bei denen eine korrekte Atemtechnik erforderlich ist. Es gibt keine regulatorischen Einschränkungen und es liegt auch kein Implementierungsrisiko vor. Die App darf jedoch nicht als DiGA vermarktet werden, da es sich nicht um ein medizinisches Produkt handelt.

Es gibt eine hohe Nachfrage nach pulmonaler Rehabilitation. Die Patienten leiden unter einem Mangel an persönlicher Betreuung. Die Übungen müssen zu Hause ohne Aufsicht und Motivation durchgeführt werden. Eine App, die behauptet, die „Behandlung zu verbessern“, wird als ein Medizinprodukt der Klasse I angesehen. Mögliche Verwendungszwecke wären hierbei: Messung der Ausführung von Übungen und Kommunikation mit dem Physiotherapeuten zur Verbesserung der Behandlungsqualität. Außerdem könnten KI-basierte Empfehlungen zur Verbesserung der Ausführung von Übungen erteilt werden. Claims, die eine Einstufung in Klasse IIa erzwingen, müssen vermieden werden. Dazu zählt beispielsweise die Diagnose des Krankheitszustands.

Medizinprodukte der Klasse I benötigen ein QMS (Qualitätsmanagementsystem) nach ISO 13485. Grundlegende Leistungs- und Sicherheitsanforderungen sowie Standards müssen definiert und eingehalten werden. Die Designkontrolle muss in der technischen Akte gemäß MDR dokumentiert werden. Die medizinische Behauptung der „Verbesserung der Behandlung“ muss in einem klinischen Bewertungsbericht validiert und im Rahmen der Post-Market-Aktivitäten verfolgt werden. Breathment könnte so als DiGA registriert werden, was zu einer Erstattungsfähigkeit durch die gesetzlichen Krankenkassen führt. Es entstehen aber auch Folgekosten für die obligatorische Studie zum Nachweis des positiven Behandlungseffekts. Als Medizinprodukt der Klasse I kann die Konformität jedoch in eigener Verantwortung des Herstellers erklärt werden. Verzögerungen durch die benannten Stellen werden vermieden.

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Es ist wichtig, die Klassifizierungsregeln im Auge zu behalten. In der MDR, Anhang VIII Regel 11, heißt es: „Software, die zur Überwachung physiologischer Prozesse bestimmt ist, wird der Klasse IIa zugeordnet. Software, die dazu bestimmt ist, Informationen zu liefern, die dazu dienen, Entscheidungen zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken zu treffen, wird in die Klasse IIa eingestuft“. Aus dem Verwendungszweck muss eindeutig hervorgehen, dass die Software die Qualität der Übung bewertet und nicht die Qualität der Therapie.

Jegliche Diagnosefunktionalität oder Entscheidungshilfe, führt zu einer Klassifizierung der Klasse IIa. Ab April 2022 stehen die benannten Stellen nur sehr begrenzt für den Markteintritt neuer Hersteller zur Verfügung. Demnach sind die Entwicklung und Registrierung hierbei mit großen Unsicherheiten verbunden und werden daher nicht empfohlen.

In Anbetracht der Markteinführungszeit und der derzeitigen Verfügbarkeitsbeschränkungen der benannten Stellen wird empfohlen, die Produktfunktionalität bei der Markteinführung auf eine Wellness-App zu beschränken. Denn der Markt bietet viele Möglichkeiten, auch ohne regulatorische Einschränkungen zu wachsen. Anschließend kann man ein QMS gemäß ISO EN 13458 einführen und die medizinische App-Funktionalität entsprechend entwickeln und validieren. Diagnostische Funktionen, die zu einer Einstufung in Klasse IIa führen und daher mehr V&V-Aktivitäten erfordern, sollten, je nach Bedarf und Verfügbarkeit der benannten Stellen, entwickelt und eingeführt werden.

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* Der Autor: Dr. Volker Klügl ist Unternehmer und Inhaber von Ipp. Er ist Spezialist für technische Dokumentation nach MDR, Regulatory Projektmanagement, Großprojekte, Prozessberatung MDR und klinische Bewertungen nach MDR.

DiGA: Das Wichtigste auf einen Blick

Eins, zwei oder drei? – Medizinprodukte richtig klassifizieren

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