5 Technik-Sackgassen: Hier lag die Autoindustrie falsch - Blick

2022-08-26 21:51:43 By : Mr. Jayden Ysun

Carl Benz (1844–1929) leistete sich vor rund 100 Jahren die erste Fehleinschätzung in der Autoindustrie: «Das Auto ist jetzt vollkommen. Es bedarf keiner Verbesserung mehr.» Logisch dachte er so, schliesslich hatte er mit dem Benz-Patent-Motorwagen 1886 das erste alltagstaugliche Automobil erfunden. Wäre es nach ihm gegangen, würden wir heute noch immer auf offenen Kutschen mit knatternden Mini-Motoren und Speichenrädern herumfahren.

In 137 Jahren Autogeschichte hat sich dann aber doch das eine oder andere geändert – und derzeit gehts mit den Innovationen so schnell wie noch nie: Online-Vernetzung, Fahrassistenten oder autonomes Fahren und die Elektrifizierung haben das Auto in den letzten 15 Jahren komplett umgekrempelt. Geistesblitze zur Verbesserung gab es auch in den Jahrzehnten davor. Aber längst nicht jede Idee zündete. Manche brauchten Zeit zum Reifen – oder Technologien, die es noch garnicht gab. Manche waren schlicht ein Irrweg. Und bei einigen atmen wir heute auf, dass sie scheiterten. Hier kommen 5 Auto-Innovationen ohne Zukunft.

In den 1950er-Jahren kannte die Atom-Euphorie keine Grenzen. Friedlich genutzte Kernenergie sollte sauberen und vor allem unbegrenzt Strom liefern – brauchte es mehr Energie, wurden einfach neue Reaktoren gebaut. Nicht verwunderlich, dass man ernsthaft über Atomautos nachdachte. Fords Concept Car Nucleon schien die Zukunft zu gehören: Im Jahr 1958 vorgestellt, lieferte ein zwischen den Hinterrädern aufgehängter Reaktor Wärme, mit der Dampf gekocht und eine Turbine für den Vortrieb angetrieben wurde. Eine Reaktorfüllung sollte für rund 8000 Kilometer reichen – danach musste man in die Werkstatt, um neuen Brennstoff zu installieren.

Doch Ford traute sich nicht einmal an ein reales Atomauto: Der Nucleon blieb ein Modell im Massstab 1:2,66. Im Rückblick wohl besser so. Auch andere Hersteller kamen auf die Idee, wie zum Beispiel die längst untergegangene Marke Simca mit ihrer Studie Fulgur, einer fliegenden Untertasse auf Rädern. Die war wirklich zukunftsweisend: Nicht wegen des geplanten Atomantriebs, sondern weil Designer Robert Opron (1931–2021) Sprachsteuerung und Radarsensoren zur Umfeldüberwachung hineinphantasierte – haben unsere Autos heute serienmässig. Später entwarf Opron den ähnlich futuristische Citroën SM.

Skurrile Innovationen sind Früchte vergangener Zeiten? Nicht immer: Am Genfer Salon 2013 enthüllt der PSA-Konzern (damals Citroën und Peugeot, heute in Stellantis aufgegangen) sein Antriebskonzept Hybrid Air. Statt beim Bremsen per Rekuperation Strom in einer Batterie zu speichern und diesen per E-Motor zum Anfahren zu nutzen, setzen seine Entwickler auf Druck. Zwei Tanks im Unterboden sind mit Stickstoff und Hydrauliköl gefüllt. Beim Bremsen wird der Stickstoff per Ölpumpe komprimiert und so Energie gespeichert. Beim Beschleunigen kann sich das Gas dann per Pumpe kontrolliert wieder ausdehnen – und drückt das Auto vorwärts. Bis zu 41 PS sollte der Gasantrieb liefern und immerhin 400 Meter weit alleine für Vortrieb sorgen.

In Serie sollte das System ab 2016 im Peugeot 2008 gehen und dann auch bei Citroën eingesetzt werden. Bloss: Zuerst findet PSA keinen Partner zur Umsetzung, dann geht dem Konzern das Geld aus, auch weil der Absatz einbricht. Der heutige Stellantis-CEO Carlos Tavares (64) bringt PSA ab 2014 wieder auf Kurs. Und Hybridantriebe? Baut man heute auch bei Peugeot mit Batterie und E-Motor.

Ab den 1950er-Jahren arbeiteten einige Autobauer an Gasturbinen als Autoantrieb. Dabei wird verdichtete Luft in einen Brennraum gedrückt und dort mit zugesetztem Treibstoff entzündet. Der entstehende Heissluftstrom mit bis 1500 Grad Celsius treibt dann eine Turbine an und deren Welle wiederum über ein Zwischengetriebe das Auto. Vorteil: Massig Drehmoment bei vergleichsweise geringem Gewicht und seidenweicher Lauf im Vergleich zu normalen Verbrennungsmotoren mit Hubkolben. Nachteil: Gasturbinen soffen wie die Löcher. Aber Sprit kostete ja nichts.

Rover war 1950 Pionier und startete 1965 gar mit einem Turbinenauto an den 24 Stunden von Le Mans. 1954 entstand Fiats Turbina als Prototyp und General Motors baute ab 1953 gleich vier Concept Cars namens Firebird I bis IV, die aussahen wie Jets auf Rädern. Wirklich ernsthaft betrieb nur Chrysler die Entwicklung: 1965 wurden 55 Turbine Cars gebaut; ganz normal wirkende Zweitürer mit einer 130-PS-Gasturbine, die von 203 ganz normalen Kunden getestet wurden. Obwohl die Autos mit jedem Sprit – angeblich auch Tequila und Speiseöl – liefen und der Antrieb weiterentwickelt wurde, wurde nichts draus: Kunden mokierten sich über den Staubsauger-Sound der Turbine und die US-Regierung hielt sie für gefährlich.

Pro-wie-bitte? Der Name von Audis Lenksäulen-Wegziehsystem war kein Resultat einer durchzechten Nacht in der Marketing-Abteilung, sondern die Abkürzung für «Programmed Contraction And Tension» – also programmiertes Zusammenziehen unter Spannung. Mit Computerprogrammierung hat die 1986 mit dem neuen Audi 80 eingeführte Technologie aber noch nichts am Hut; eher mit solider Mechanik: Wenn beim Frontaufprall der Motor in den Innenraum gedrückt wird, zieht er über Stahlseile die Lenksäule nach vorne und strafft gleichzeitig die Gurten. So sollen die oft tödlichen Kopfverletzungen beim Aufprall aufs Steuer verhindert werden.

Damals lebensrettend, heute nur noch eine historische Fussnote: Längst schützen uns per Explosion gezündete Airbags deutlich besser und reaktionsschneller vor Verletzungen. Audi hat sogar den Markennamen 2002 wieder freigegeben.

Wankel tönt nach Wackeln – aber genau das macht dieser Motor nicht: Felix Wankel (1902–1988) nerven klassische Benzinmotoren, weil ihre Hubkolben für permanente Vibrationen sorgen. Also entwickelt er den Rotationskolbenmotor: Statt sich auf und ab zu bewegen, dreht sich ein dreieckiger Kolben exzentrisch in einem ovalen Brennraum, in dem Benzin verbrannt wird. Fast vibrationsfrei läuft der Motor, den Wankel ab 1924 entwickelt. Aber erst 1963 schafft er den Durchbruch, als die später in Audi aufgegangene Marke NSU ihn in Serienautos wie dem Ro 80 einbaut. Auch Mazda setzt den Wankelmotor ein – aber so richtig zündet er nicht: Die Schmierung ist schwierig, die Motoren bleiben nicht dicht und der Verbrauch ist weit jenseits herkömmlicher Benziner.

Seit Mazda den RX-8 vor zehn Jahren einstellte, ist der Wankelmotor passé. Aber er könnte dennoch als einzige der Technik-Sackgassen eine Zukunft haben: Als Reichweitenverlängerer für Elektroautos, der Strom per Generator produziert, wenn die Batterie leer ist. So könnte man kleinere, leichtere und günstigere Batterien einbauen. Der Motor läuft so ruhig, dass er in leisen E-Autos nicht stört.