Biogasanlage Küsnacht – Strom für 400 Haushalte aus dem Kompostkübeli | Zürichsee-Zeitung

2022-06-18 16:31:00 By : Mr. Allen Hu

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Das Küsnachter Grüngut verrottet künftig nicht mehr nur, sondern liefert Energie. Mit den organischen Abfällen wird in der neu eröffneten Biogasanlage vor Ort Strom produziert. 

Holzig, säuerlich, vergoren und seltsam: Es ist eine Duftreise für die Nase an diesem Morgen in der Biogasanlage in Küsnacht. 2014 hatten erste Abklärungen stattgefunden, ob im Wald an der Hesligenstrasse, oberhalb der Schützenstube, eine solche Anlage gebaut werden könnte. Nun steht sie und produziert Strom für den Jahresverbrauch von 400 Haushalten.

Diesen Freitag und Samstag lädt die Betreiberin, die Bioenergie Zürichsee AG, zum Tag der offenen Tür bzw. der offenen Halle. Das Gebäude ist stattlich gross und hoch. Überall liegen riesige Haufen in allen Grün- und Braunschattierungen, es riecht nach Sommerwiese und Waldboden: Pflanzenschnitt, Heu von Küsnachter Grünstreifen, Bioabfälle, Holzreste. Was früher einfach verrottete, wird heute gepflegt und gehegt, um die Bakterien zu «melken»: Sie produzieren beim Verrottungs- und Vergärungsprozess Methangas. Dieses lässt sich für die Energie- und Stromproduktion nutzen.

Im oberen Stock der Halle lagert das produzierte Methangas in einer riesigen Blase aus grauer Plastikblache, die aussieht wie eine flache Hüpfburg. Hier riecht es seltsam – nach Methan. Das Gas ist hochexplosiv, weshalb überall eine Gasüberwachung mit Alarmsystem eingebaut ist. Zudem wurde die Halle auf einer Seite nicht so stabil gebaut – absichtlich: Diese Seite ist im Falle einer Explosion die Sollbruchstelle, damit nicht die ganze Halle zusammenbricht.

Das Methangas bleibt nicht lange in der Plastikblase. Das Gas der vergangenen drei Produktionsstunden befindet sich darin und wird von dort aus weiterverarbeitet. In einem Blockheizkraftwerk im unteren Stock entstehen daraus Strom und Wärme. Die Wärme wollte die Bioenergie Zürichsee AG (Bezag) der weiter unten an der Hesligenstrasse gelegenen Siedlung «Im Gü» als Fernwärme verkaufen. Die Siedlung heizt aktuell mit Öl. Doch den rund 25 Eigentümern war das Angebot zu teuer.

Die Bezag musste eine andere Lösung für die Abwärme suchen. Nun produziert ein Generator aus der Abwärme weiteren Strom, der ins Stromnetz eingespeist wird. Insgesamt entstehen so in der Biogasanlage rund 1,6 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom pro Jahr – 1,5 Millionen kWh aus dem Methangas und 110’000 kWh aus der Abwärme. Abnehmer sind die Werke am Zürichsee.

Das Herzstück der Biogasanlage ist an diesem Morgen fest verschlossen: Hinter vier grossen Toren befinden sich vier sogenannte Fermenter-Räume. Die Tore sind luftdicht verriegelt, in den Räumen bauen die Bakterien während vier Wochen unter Ausschluss von Sauerstoff die organischen Stoffe ab, Methangas bildet sich.

Das Restmaterial bleibt danach während zweier Wochen in der Halle zum Abtropfen, dann wird es draussen während fünf bis acht Wochen an der Luft getrocknet, bis Kompost für den Gartenbau entsteht. Küsnachterinnen und Küsnachter dürfen übrigens weiterhin ihren Gartenschnitt zur Anlage bringen und auch 200 Liter Kompost pro Haushalt und Jahr kostenlos beziehen. 

Roman Stauffacher, der Geschäftsführer der Bezag, hat das Kompostieren in einem einwöchigen Kurs erlernt: «Es braucht dafür keine Ingenieurausbildung, man muss es im Gefühl haben.» Die empfindlichen Bakterien sollten sich wohlfühlen: «Sie brauchen die richtige Temperatur. Bei zu grossen Schwankungen sterben sie ab.»

Aktuell werden in der Anlage 6000 Tonnen Grüngut pro Jahr verarbeitet. Die Kapazität der Anlage liegt theoretisch bei 10’000 bis 11’000 Tonnen. «Diese Produktionsmenge ist aber im Moment nicht bewilligt», sagt Stauffacher. «Das wird vielleicht in 10 bis 15 Jahren ein Thema.» Erstes Ziel sei ein Ausbau auf rund 7000 Tonnen. «Dafür sind wir mit Nachbargemeinden wie Erlenbach am Verhandeln, die bis jetzt ihr Grüngut nach Oetwil bringen.»

Gekostet hat die Anlage rund 8 Millionen Franken, die Baukosten von 6,5 Millionen Franken wurden eingehalten, aber wegen des weichen Untergrunds kamen weitere Kosten hinzu: Das Gebäude steht auf 450 rund 15 m langen Pfählen, die ursprünglich nicht eingeplant waren. Weitere Investitionen sind vorgesehen: Auf dem Dach der Biogasanlage sollen 1000 Quadratmeter Solarzellen installiert werden. «Diese werden wir aus dem laufenden Betrieb finanzieren», sagt Stauffacher. Ziel ist es, den Strom für die Anlage zu 100 Prozent selbst zu produzieren.

Tag der offenen Tür bei der Biogasanlage in Küsnacht: heute Samstag, 18. Juni 2022, 10 bis 15 Uhr, Hesligenstrasse 126, 8700 Küsnacht. 

Irina Kisseloff ist Redaktorin im Ressort Meilen. Sie hat an der Universität Zürich Publizistikwissenschaften, Betriebswirtschaft und Kunstgeschichte studiert und arbeitet seit 2002 als Journalistin.

Der Baurechtsvertrag für eine Biogasanlage in Küsnacht ist genehmigt, erste Arbeiten haben begonnen – und trotzdem: Die Themen Fernwärme und Verkehr sorgen für Kritik.

Die Bauarbeiten für eine Biogasanlage in Küsnacht beginnen. Ab 2021 werden darin Kompost, Wärme und Strom für 300 Haushalte produziert. Aber was ist mit dem Geruch?