Deutsches Technikmuseum Berlin - 40 Jahre Deutsche im Weltall - DER SPIEGEL

2022-05-06 19:01:43 By : Mr. Yong Hong

Ausstellung in Berlin: "40 Jahre Deutsche im Weltall"

Wenn alles fünfeinhalb Mal so viel Gewicht hat wie auf der Erde, kann selbst ein Kuscheltier ganz schön nerven. Dass musste Reinhold Ewald im März 1997 feststellen. Der deutsche Raumfahrer war gerade zusammen mit zwei russischen Kollegen an Bord des Raumschiffs "Sojus TM-24" auf dem Weg von der Raumstation "Mir" zur Erde. Und auf dem Schoß trug er beim turbulenten Ritt zurück aus dem All eine Hein-Blöd-Figur.

Die hatte Ewald im Auftrag der "Sendung mit der Maus" auf seine knapp 20 Tage dauernde Reise in den Weltraum mitgenommen. Der von Walter Moers erdachte Nager sollte mit Auftritten im All Kinder für die Forschung begeistern, indem er sich auf eine gespielte Suche nach Sternenstaub machte. Der mittlerweile verstorbene Schauspieler Wolfgang Völz, Synchronstimme von Blöds Kumpel Käpt'n Blaubär, war für die Aufnahmen extra ins Weltraum-Kontrollzentrum gekommen.

In Ewalds Sack für die persönlichen Gegenstände hatte das Spielzeug in der engen "Sojus"-Rückkehrkapsel dann aber keinen Platz mehr gefunden, sodass es der Raumfahrer sozusagen am Mann tragen musste. "Da wissen Sie, wie innig die Beziehung zu diesem Stofftier war", beantwortet Ewald die Frage danach, warum die Figur eigentlich so leicht zerknautscht aussehe. Sie hat eben schon so einiges mitgemacht. "Das ist die einzige geflogene Schiffsratte der Weltraumgeschichte."

Ausstellung in Berlin: "40 Jahre Deutsche im Weltall"

Hein Blöd ist eines von 100 Ausstellungsstücken, die das Deutsche Technikmuseum in Berlin ab Donnerstag in einer kleinen Sonderausstellung unter dem Titel "40 Jahre Deutsche im Weltall" zeigt. Anlass ist der Raumflug von Sigmund Jähn vor genau 40 Jahren, der NVA-Jagdflieger war der erste Deutsche im All.

Seitdem sind insgesamt elf Raumfahrer aus Deutschland im Weltraum gewesen, allesamt Männer übrigens. Aktuell fliegt der Geophysiker Alexander Gerst bei seiner zweiten Mission in der Internationalen Raumstation um die Erde, er wird erstmals sogar Kommandant der Station. Auch zwei Außeneinsätze stehen demnächst auf seinem Programm.

Reinhold Ewald war einer der anderen zehn - und zur Vorstellung der Berliner Sonderausstellung teilt er bereitwillig Anekdoten zu einigen der gezeigten Ausstellungsstücke. Direkt neben Hein Blöd ist da zum Beispiel der Handschuh seines russischen Sokol-Raumanzuges. Den muss jeder tragen, der in einer "Sojus" ins All fliegt, bis heute.

Deutsche Raumfahrer: Jähn, die zehn - und ein Maurer

Eine Besonderheit an dem Kleidungsstück ist seine knappe Passform - weil er bei niedrigerem Druck zum Einsatz kommt. "Wenn sie bei Normaldruck Schmerzen in den Fingern haben, wissen Sie, dass sie im Weltraum richtig arbeiten können", so Ewald. Dann wird der Raumanzug nämlich von innen aufgepumpt - und der Handschuh drückt auf einmal nicht mehr.

Ebenso ist ein Modell der Sauerstoffmaske ausgestellt, die dem Raumfahrer und seinen Kollegen einst das Leben rettete. Am 23. Februar 1997 war auf der "Mir" ein Feuer an einer 600-Liter-Sauerstoffpatrone ausgebrochen. "Das war bis dahin noch nie passiert", erinnert sich der Raumfahrer. Manche Experten auf der Erde hätten sogar geargwöhnt, dass es so etwas eigentlich im All gar nicht geben könne, ein Feuer. Weil der sogenannte Kamineffekt durch aufsteigende Luftströmungen, der eine Flamme auf der Erde stabilisiert, in der Schwerelosigkeit des Alls gar nicht auftritt.

Aber nun brannte die Patrone eben doch, eine Katastrophe drohte. Geschützt durch die Masken gelang es der Besatzung zum Glück, das Feuer zu löschen - auch wenn die Station zweieinhalb Stunden lang danach völlig verraucht war. "Man konnte auf Armeslänge nicht mehr sehen", so Ewald. Schließlich taten die Luftfilter wieder ihren Dienst - und die Crew konnte im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen.

Sonderlich groß ist die Berliner Schau nicht, rund 150 Quadratmeter auf einer Empore zwischen den verschiedenen Flugzeugen des Hauses, aber es sind diese kleinen Geschichten, die sie durchaus interessant machen. Da ist der kleine Startschlüssel zu sehen, mit dem Ewalds Rakete ins All geschickt wurde, ein Overall des 1995 bei einem Flugunfall verstorbenen Astronauten Reinhard Furrer, ein Stück der Berliner Mauer, das 1992 mit einem Space Shuttle ins All flog - und ein zur Erde zurückgestürztes Trümmerteil der Rakete, die Alexander Gerst im Juni dieses Jahres zum zweiten Mal ins All gebracht hat.

Dazu kommen jede Menge Weltraumnahrung, kleine Souvenirs und Teile von Experimenten. Viele der gezeigten Objekte stammen vom Privatsammler Tasillo Römisch aus dem sächsischen Mitweida, der dort ein Raumfahrtmuseum betreibt und mit seinen Exponaten auch auf Tour geht. Zur Eröffnung der Sonderausstellung war auch er nach Berlin gekommen.

Und noch einer trat zur Ausstellungseröffnung auf: Eberhard Köllner, einst Ersatzmann für Sigmund Jähn und wie dieser NVA-Jagdflieger. "Es kann nur einer die Nummer eins sein", sagt er ganz augenscheinlich ohne Groll über den Umstand, dass er eben nur fast im Weltraum war. Das hat auch mit den Entwicklungen der deutschen Geschichte zu tun. Zu einem zweiten Flug eines DDR-Raumfahrers ins All kam es durch die Wende nicht mehr.

Ist Köllner also der Fall der Mauer auf dem Weg in den Weltraum dazwischengekommen? "Kann man so sagen", sagt er grinsend.

Deutsches Technikmseum Berlin, Trebbiner Str. 9, 10963 Berlin. Die Sonderausstellung "40 Jahre Deutsche im Weltall" läuft bis zum 30. Dezember.

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Hein-Blöd-Figur: Die Puppe hatte der deutsche Raumfahrer Reinhold Ewald im Frühjahr 1997 zur Raumstation "Mir" mitgenommen. Beim Rückflug mit dem Raumschiff "Sojus TM-24" musste er sie auf dem Schoß transportieren - weil sonst kein Platz mehr war. Die Puppe gehört zu den Objekten der Sonderausstellung "40 Jahre Deutsche im Weltall", die bis Ende des Jahres im Deutschen Technikmuseum in Berlin zu sehen ist.

Wimpel des FC Carl Zeiss Jena: Dieses Erinnerungsstück hatte Sigmund Jähn, der erste Deutsche im All, vor genau 40 Jahren mit auf der sowjetischen Raumstation "Saljut 6". Viele der in der Berliner Ausstellung gezeigten Objekte stammen vom Privatsammler Tasillo Römisch aus dem sächsischen Mitweida, der dort ein Raumfahrtmuseum betreibt und mit seinen Exponaten auch auf Tour geht.

Startschlüssel von "Sojus TM-25"-Rakete: Dieses Modell kam beim Start von Reinhold Ewald im Frühjahr 1997 zum Einsatz. Im Prinzip sehen die Schlüssel bis heute aus wie zu Gagarins Zeiten.

Gasmaske von der "Mir": Am 23. Februar 1997 war auf der "Mir" ein Feuer an einer 600-Liter-Sauerstoffpatrone ausgebrochen. Solche Masken retteten der Besatzung damals das Leben.

Sowjetischer Raumanzug "Sokol K": Dieses Modell stammt aus den Achtzigerjahren. Einen vergleichbaren Anzug muss bis heute jeder tragen, der in einer "Sojus" ins All fliegt. Insgesamt sind bisher elf Raumfahrer aus Deutschland im Weltraum gewesen, allesamt Männer übrigens. Aktuell fliegt der Geophysiker Alexander Gerst bei seiner zweiten Mission in der Internationalen Raumstation um die Erde.

Handschuh von Reinhold Ewald: Eine Besonderheit an dem Kleidungsstück ist seine knappe Passform - weil er bei niedrigerem Druck zum Einsatz kommt. "Wenn Sie bei Normaldruck Schmerzen in den Fingern haben, wissen Sie, dass Sie im Weltraum richtig arbeiten können", so Ewald. Dann wird der Raumanzug nämlich von innen aufgepumpt - und der Handschuh drückt auf einmal nicht mehr. Der Spiegel sollte bei der Suche nach möglichen Lecks im Anzug helfen.

Steuerpult der Multispektralkamera "MKF-6": Mit der bei Carl Zeiss Jena entwickelten Technik hatte die DDR für den Raumflug von Sigmund Jähn bezahlt. Bis heute sind solche Tauschgeschäfte üblich, auch die Esa zahlt ihren Anteil an der internationalen Raumstation nicht bar, sondern liefert Technik zu.

Trümmerstück einer "Sojus"-Rakete: Es stammt von dem Modell, das Alexander Gerst und zwei Kollegen im Juni 2018 ins All gebracht hat. Es war aus 45 Kilometer Höhe planmäßig zur Erde zurückgefallen und in der kasachischen Steppe aufgeschlagen.

Checkliste zur Vorbereitung eines Weltraumausstiegs: Mit diesem Material hat sich Alexander Gerst auf seinen Ausstieg im Oktober 2014 vorbereitet. Sechseinhalb Stunden lang hatte er damals zusammen mit seinem Kollegen Reid Wiseman Reparaturarbeiten an der ISS durchgeführt.

Puppe "Sandmann als Kosmonaut": Eine ähnliche Figur hatte Sigmund Jähn im Spätsommer 1978 mit in den Weltraum genommen.

Münze, überrollt vom Startwagen der Rakete "Sojus TMA-13M": In Russland gelten solche Münzen als Glücksbringer. Sie werden von dem tonnenschweren Zug plattgewalzt, der die Raketen zur Startrampe in Baikonur bringt. Aus Sicherheitsgründen ist das Ablegen von Geldstücken auf den Gleisen aber eigentlich nicht gern gesehen. Hier glückte die Aktion vor dem ersten Start von Alexander Gerst im Mai 2014 aber doch.

Steuerkonsole für einen "Orlan"-Raumanzug: Diese Anzüge werden von russischen Kosmonauten bei Außeneinsätzen an der ISS getragen. Europäer und Amerikaner tragen dagegen ein anderes Modell. Mit den einzelnen Schaltern lassen sich die verschiedenen Funktionen des Anzugs steuern.

Astronauten-Unterwäsche: Diese Kleidung hat Alexander Gerst getragen.

Besteck von der ISS mit der Gravur "Shuttle": Dieses Set stammt aus der Zeit um 2010 und war tatsächlich im All.

Sigmund Jähn (ein Flug, fast acht Tage im All): Der NVA-Militärpilot aus dem Vogtland war der erste Deutsche im All. Im August 1978 startete er in der sowjetischen Kapsel "Sojus 31" ins All - und umkreiste in der Raumstation "Saljut 6" 125 Mal die Erde. Bei der Rückkehr Jähns gab es Probleme. Der Fallschirm löste sich nicht von der Kapsel, die daraufhin durch die Steppe geschleift wurde. Jähn erlitt einen Wirbelsäulenschaden. Nach der Wende arbeitete er weiter als Berater im Raumfahrtbereich.

Ulf Merbold (drei Flüge, fast 50 Tage im All): Ende November 1983 flog Merbold als erster Nicht-US-Bürger mit einem Space Shuttle ins All, als Nutzlastspezialist bei der Mission mit dem Kürzel STS-9. Neun Jahre später, im Januar 1992, durfte Merbold dann wieder für eine Woche im Shuttle fliegen, auf der Mission STS-42. Sein letzter Aufenthalt im All war gleichzeitig der längste. Einen Monat lang war Merbold im Herbst 1994 Gast auf der russischen Raumstation "Mir".

Reinhard Furrer (l., ein Flug, sieben Tage im All): Zusammen mit zwei anderen Europäern, dem Deutschen Ernst Messerschmid (r.) und dem Niederländer Wubbo Ockels (M.), startete Furrer Ende Oktober 1985 zur D1-Mission im US-Space-Shuttle "Challenger". Furrer war begeisterter Sportpilot. Er starb im September 1995 bei einem Flugzeugabsturz auf dem Flugplatz Johannisthal. Zusammen mit einem Pilotenkollegen war er in einer historischen Maschine aus dem Zweiten Weltkrieg geflogen, die bei einer nicht fachgerecht ausgeführten Kunstflugfigur auf dem Boden aufschlug.

Ernst Messerschmid (ein Flug, sieben Tage im All): Er war außer Furrer der zweite Deutsche an Bord der "D1"-Mission, des ersten von Deutschland finanzierten Flugs des Raumlabors "Spacelab" an Bord der "Challenger". Nach seiner Rückkehr lehrte er unter anderem an der Uni Stuttgart und war zeitweise Leiter des Esa-Astronautenzentrums in Köln.

Hans Schlegel (zwei Flüge, fast 23 Tage im All): Der erste Flug des Physikers war ein deutsches Doppel. Ende April 1993 ging es zusammen mit Ulrich Walter an Bord des Shuttles "Columbia" für zehn Tage ins All. 13 Jahre später durfte Schlegel noch einmal in ein Shuttle zurückkehren - und zur ISS fliegen. Bei diesem Flug, der Mission "STS 122", brachte er das europäische Labor "Columbus" ins All. Schlegel ist mit einer früheren Kollegin verheiratet. Seine Frau Heike Walpot war ebenfalls Astronautin, durfte aber nie in den Weltraum.

Ulrich Walter (ein Flug, fast zehn Tage im All): Zusammen mit Hans Schlegel war der Physiker Walter im Frühjahr 1993 für fast zehn Tage im Weltraum. Die meisten Experimente der "D2"-Mission befassten sich mit Biologie und Materialwissenschaften. Nach seiner Rückkehr arbeitete er unter anderem beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und bei IBM. Seit dem Frühjahr 2003 ist er Lehrstuhlinhaber an der TU München.

Thomas Reiter (zwei Flüge, mehr als 350 Tage im All): Er ist der Rekordhalter; länger als Reiter war kein Deutscher im All. Zum ersten Mal hob er im September 1995 ab, an Bord des russischen Transporters "Sojus TM-22". Er war Teil der 20. Langzeitbesatzung der "Mir". Seine zweite Reise unternahm er mit der Shuttle-Mission "STS-121" zur Internationalen Raumstation ISS. Auch auf dieser Station war er Langzeitgast für 166 Tage. Später war Reiter im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) , dann Esa-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb.

Reinhold Ewald (ein Flug, fast 20 Tage im All): Mit dem russischen Transporter "Sojus TM-25" flog Ewald im Februar 1997 zur russischen Raumstation "Mir". Während seines Aufenthalts dort brach auf der Station ein Brand in einem Sauerstoffgenerator aus. Die Besatzung konnte das Feuer aber gerade noch rechtzeitig löschen.

Gerhard Thiele (ein Flug, gut elf Tage im All): Mit der Mission "STS-99" flog er im Februar 2000 ins All. Bei der Mission wurden 80 Prozent der Erdoberfläche kartiert. Nach dem Flug arbeitete er eine Zeit lang für die Nasa, später wurde er Chef des Astronautenzentrums der Esa in Köln.

Alexander Gerst (ein Flug, mehr als 165 Tage im All): Der Geophysiker gehört zur aktuellen Astronautenklasse der Esa. Im Jahr 2014 war er für die Mission "Blue Dot" auf der ISS - und damit der dritte Deutsche auf der Station. Bei einem Außeneinsatz half er, eine defekte Kühlpumpe auszutauschen. Im Juni 2018 flog er bei der "Horizons"-Mission wieder zur ISS. Dort wird er erstmals das Amt des Kommandanten übernehmen.

Matthias Maurer (im Training): Der Materialwissenschaftler aus dem Saarland ist der Neuzugang im Esa-Astronautenkorps. Er wartet derzeit auf seine erste Mission.