Lieferung medizinischer Hilfsgüter an Ukraine wird immer dringender – EURACTIV.de

2022-03-19 07:44:05 By : Ms. Nicole Wu

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Von: Amalie Holmgaard Mersh | EURACTIV.com | übersetzt von Thomas Lehnen

Der Aufruf erfolgt in Anbetracht der schwindenden Vorräte und der zunehmenden Schwierigkeiten bei der Lieferung von WHO-Medizinprodukten an ukrainische Krankenhäuser. [EPA-EFE/SERGEY DOLZHENKO]

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Die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) hat dringend dazu aufgerufen, medizinischen Sauerstoff und andere lebenswichtige medizinische Hilfsgüter in die Ukraine zu liefern.

Der Aufruf erfolgt in Anbetracht der schwindenden Vorräte und der zunehmenden Schwierigkeiten bei der Lieferung von WHO-Medizinprodukten an ukrainische Krankenhäuser.

Anfang dieser Woche warnte die WHO in einer Erklärung, dass Tausende von Menschenleben in Gefahr seien, da die Vorräte an medizinischem Sauerstoff in der gesamten Ukraine zur Neige gingen.

„Sauerstoff ist lebensrettend, und wenn man es braucht, braucht man es. Die Menschen können nicht bis morgen auf Sauerstoff warten. Sie können nicht bis nächste Woche warten, sie können nicht auf eine Warteliste gesetzt werden oder in einer Schlange für Sauerstoff anstehen. Sauerstoff rettet Ihnen jetzt das Leben“, sagte Michael J. Ryan, Exekutivdirektor des WHO-Programms für Gesundheitsnotfälle, auf einer Pressekonferenz am Mittwoch (2. März).

In vielen Krankenhäusern gehe der Sauerstoff bald zur Neige, in einigen sei der Vorrat bereits erschöpft. Die WHO schätzt außerdem, dass der aktuelle Bedarf an medizinischem Sauerstoff 20 bis 25 Prozent höher sei als vor dem Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine am letzten Donnerstag (24. Februar).

Die Belieferung der Krankenhäuser mit Sauerstoff aus den Produktionsstätten stelle eine große Herausforderung dar. Gleichzeitig bestehe ein Mangel an Zeolith, einem chemischen Produkt, das zur Produktion von sicherem medizinischem Sauerstoff benötigt wird.

Medizinischer Sauerstoff wird zur Behandlung einer Vielzahl von Krankheiten benötigt, darunter Schwangerschaftskomplikationen, chronische Erkrankungen, Verletzungen und Traumata sowie COVID-19.

„Der kritische Sauerstoffmangel wird sich auf die Fähigkeit auswirken, Patienten mit COVID-19 und vielen anderen Krankheiten zu behandeln“, sagte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus.

Weiterhin seien mindestens drei große Sauerstoffwerke in der Ukraine inzwischen geschlossen  und die WHO suche nach Möglichkeiten, Sauerstoff aus den Nachbarländern zu beschaffen und auf sichere Weise dorthin zu bringen, wo es benötigt werde.

Auch bei vielen anderen lebenswichtigen medizinischen Gütern wie Medikamenten zur Krebsbehandlung, Diabetes oder wesentlichen Impfungen gegen Kinderkrankheiten seien die Bestände mittlerweile äußerst knapp.

„Wenn wir über bestimmte Medikamente sprechen, ist das von Krankenhaus zu Krankenhaus unterschiedlich. Die Krankenhäuser, die von der Versorgung abgeschnitten sind, benötigen verschiedene Arten von Arzneimitteln, aber auch mehr Trauma-Kits, da sie hauptsächlich die Auswirkungen von Gewalt behandeln. Es bleibt keine Zeit zur Behandlung chronischer Krankheiten. Das Wichtigste ist, eine lebensrettende Behandlung zu gewährleisten“, sagte Jarno Habicht, Leiter des WHO-Büros in der Ukraine.

Er fügte außerdem hinzu, dass eine laufende Impfkampagne gegen Polio „sehr, sehr schwierig“ fortzusetzen sei.

Schwierigkeiten bei der Auslieferung von Waren aus der Ukraine

Am Donnerstag (3. März) wird das Logistikzentrum der WHO in Polen voraussichtlich die erste Ladung medizinischer Hilfsgüter und Ausrüstungen für die Ukraine erhalten. Die Lieferung umfasse medizinische Spezialausrüstung für Operationen, Wundreinigung, Wiederbelebung und schwere Traumata.

„Die Priorität liegt jetzt darin, humanitäre Korridore für den Zugang der Hilfsgüter zu sichern. In Kyjiw haben wir auch ein Lager voller Hilfsgüter, die wir ausliefern müssen“, sagte Michael J. Ryan.

Es sei immer noch möglich, einige Hilfsgüter in das Land zu bringen, in Gebiete, die nicht am stärksten von der Militäroffensive betroffen seien, erklärte Jarno Habicht und fügte hinzu, dass dieser Zugang im Laufe der Entwicklungen immer eingeschränkter sein werde.

Vor der Pressekonferenz erklärte Heather Papowitz, Incident Managerin bei der WHO Europa, gegenüber EURACTIV, dass die WHO eng mit den zuständigen Behörden in Kontakt stehe.

„Wir arbeiten mit den Regierungen Polens und der Ukraine zusammen, um einen Landkorridor zu öffnen, damit die Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen dort versorgt werden können, wo es am dringendsten benötigt wird“, sagte sie.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, in der EU „vorübergehenden Schutz“ zu gewähren und die Grenzkontrollen zu vereinfachen.

Die Sicherheit des Gesundheitspersonals in der Ukraine sei ein weiteres Problem. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus äußerte sich sehr besorgt über die Angriffe auf die Gesundheitseinrichtungen. Zuletzt gab es mehrere Berichte über Angriffe auf Krankenhäuser und die Gesundheitsinfrastruktur.

„Wir hatten letzte Woche einen bestätigten Vorfall, bei dem ein Krankenhaus mit schweren Waffen angegriffen wurde. Es wurden vier Menschen getötet und zehn Menschen verletzt, sechs von diesen gehörten zum medizinischen Personal. Wir sind derzeit dabei, mehrere andere Vorfälle zu überprüfen“, sagte er.

„Die Unantastbarkeit und Neutralität des Gesundheitswesens, einschließlich des Gesundheitspersonals, der Patientenversorgung, des Transports und der Einrichtungen, sowie das Recht auf einen sicheren Zugang zur Gesundheitsversorgung müssen respektiert und geschützt werden. Angriffe auf die Gesundheitsversorgung sind ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht“, bemerkte Ghebreysus weiterhin.

Papowitz fügte hinzu, dass es auch sehr schwierig für die Mitarbeiter:innen sei, zu ihrer Arbeit zu kommen, da der Weg nicht sicher sei. Sie müssten durch gefährliche Gebiete gehen, um zu den Krankenhäusern zu gelangen.

Fortschritte im Gesundheitssystem stehen auf dem Spiel

Schon lange vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hatte das ukrainische Gesundheitssystem Probleme, doch eine kürzlich durchgeführte Reform diesbezüglich schuf eine stabile Grundlage für Verbesserungen.

Die WHO hat die Stärkung des ukrainischen Gesundheitssystems in den letzten Jahren unterstützt, doch nun könnten die Fortschritte ernsthaft untergraben werden.

„Wir haben das ukrainische Gesundheitssystem in mehreren Bereichen unterstützt, zum Beispiel bei der medizinischen Grundversorgung, aber auch bei der Vorbereitung auf Notfälle oder der Eskalation von möglichen Krisenereignissen, falls diese eintreten sollten“, sagte Papowitz.

„Allerdings ist das Gesundheitssystem seit langem chronisch unterfinanziert. In der aktuellen Situation besteht die Herausforderung darin, sicherzustellen, dass die über die Jahre erzielten Fortschritte nicht durch den Konflikt zunichtegemacht werden“, fügte sie hinzu.

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