Plastikmüll in Indonesien: Wie eine junge Deutsche das Paradies retten will | STERN.de

2022-09-23 22:06:14 By : Mr. sealock sealock

Der Traum von den sauberen Weltmeeren währt nur bis kurz nach halb neun. Zuvor, vom Frühstückstisch des Tauchresorts Baba Lagoon, sieht alles noch nach Tropenidyll aus. Der heiße Wind streicht durch die 20 Meter hohen Kokospalmen, die sich vom Ufer der Insel Banda Neira über das tiefblaue Wasser neigen. Gegenüber erhebt sich der dunkelgrüne Kegel der Vulkaninsel Feuerberg, bewachsen von dichtem Regenwald, durch den sich schwarze Lavaströme ziehen. Am Pier bestücken Tauchführer ihr Exkursionsboot mit Sauerstoffflaschen für die tägliche Tour. Ihr Revier liegt inmitten des unter Tauchern hochgeschätzten Korallendreiecks – ein Ort, den man durchaus als "paradiesisch" bezeichnen darf.

Hier in der Bandasee, am östlichsten Zipfel des Indonesischen Archipels, findet sich eines der wenigen noch intakten Ökosysteme der Meere. Kaum irgendwo sind die Ozeane an Arten so reich wie hier, kaum irgendwo die Korallenriffe so gesund. Doch während die ersten Gäste an Bord des Tauchboots gehen, schickt die Ebbe mit dem ablaufenden Wasser den Weckruf, dass der Tod der Meere auch an Orten wie diesem hier beginnt: mit Plastikmüll, der jetzt bunt schimmernd zwischen Vulkan- und Hauptinsel treibt, hinaus Richtung offene See.

"Das kommt bestimmt aus unserer Problemecke", sagt Mareike Huhn, 33, promovierte Meeresbiologin aus Oer-Erkenschwick im Ruhrgebiet. Bewaffnet mit zwei Keschern klettert sie an Bord ihres Schnellboots und tuckert der ekligen Brühe entgegen. Es riecht nach Fisch, Fäulnis und Kot. Flip-Flops, umschlungen von Plastiktüten, schwimmen hier, Einwegtrinkbecher und Brausetüten, Fischgedärm und Feuerzeuge, Kokosnussschalen und Netze, Kleiderbügel und Sandalen, Ölkanister und Flaschen. Huhn, assistiert von zwei Helfern, fischt Stück für Stück heraus und hievt den Fang mit triefendem Kescher an Bord.

Die Stiftung stern unterstützt die Initiative, um die Existenzgrundlage der Menschen zu sichern. Bitte spenden Sie an: IBAN DE90 2007 0000 0469 9500 00 BIC DEUTDEHH – Stichwort "Banda Sea"; www.stiftungstern.de

"Es ist wichtig zu zeigen, dass sich jemand kümmert. Wenn man die ganze Zeit einfordert, etwas für die Umwelt zu tun, muss man auch ein Beispiel geben und selbst anpacken", sagt die junge Wissenschaftlerin. Sie selbst verlangt nicht weniger von den Menschen hier, als jahrhundertealte Gepflogenheiten zu ändern. Von jeher sind sie gewohnt, ihren Abfall im Meer zu entsorgen. Als man noch von Bananenblättern aß, war das kein Problem. Im Plastikzeitalter ist es eine Katastrophe. Deswegen begann Mareike Huhn vor fünf Jahren mit ihrem Verein "Banda Sea" auf Banda eine Müllabfuhr aufzubauen, Recycling einzuführen und Umweltbildung zu unterrichten. Ein ganz kleiner Anfang angesichts der etwa zehn Millionen Tonnen Plastik, die rund um den Globus Jahr für Jahr ins Meer gekippt werden. 80 Prozent davon stammen von Menschen, die nahe der Küste wohnen, auch aus Deutschland, aus Spanien oder den USA. Doch auf der Rangliste der übelsten Verschmutzer liegt Indonesien neben China mit großem Abstand vorn. Auf den allerwenigsten der 17.508 Inseln des Landes existiert eine Müllabfuhr. Die nächste der weltweit fünf gigantischen Ansammlungen von Plastikmüll auf dem Ozean ist auch die größte, sie hat die Ausmaße von ganz Mitteleuropa.

Huhns Kampf gleicht einem Kampf gegen Windmühlen. "Aber irgendwo muss man ja beginnen", sagt sie. Und sei es auf den Gewürzinseln, zehn kleinen Eilanden, 20.000 Einwohner, zu Kolonialzeiten der einzige Ort der Welt, wo Muskatbäume wuchsen. Die Muskatnuss galt als Mittel gegen Pest, war einst so teuer wie Gold. Die Inseln waren derart begehrt, dass die Holländer eine davon mit den Briten gegen Manhattan tauschten. Heute interessiert sich kaum jemand für die Bandas. Schon gar nicht für die Plastikpest, die hier ausgebrochen ist.

"Der beste Schutz ist, dafür zu sorgen, dass erst gar kein Plastik im Meer landet", sagt Huhn, während sich ihr Boot durch die Müllsuppe kämpft. Mit spitzen Fingern packt sie ihre Beute in mitgebrachte Reissäcke. Sie dreht den Kopf zur Seite, als könne sie sich so dem Gestank entziehen. "Gott sei Dank sind heute keine Windeln dabei." Es ekelt sie. Doch sie ist froh, dass ihre Sinne noch nicht abgestumpft sind, obwohl sie mitunter viermal die Woche zum Müllfischen hinausfahren musste. Manchmal fragt sie sich selbst, wie sie die Energie aufbringt. "Aber es gibt auch Leute, die es verstanden haben und mitmachen. Ohne die hätten wir hier gar nicht angefangen."

Allen voran Magga Fira, 34, ein einheimischer Englischlehrer. Er hatte bei seinen Schülern schon Bewusstsein für die Umwelt zu wecken versucht, ehe Huhn vor fünf Jahren auf die Insel kam, um für ihre Doktorarbeit über Muscheln zu forschen. Er hat erste Sammelaktionen angeleiert, mit Müll gebastelt, Schülertheater zum Thema inszeniert. Damals schien die ganze Tropeninsel am Plastik zu ersticken. Gassen, Palmenhaine, der Fußballplatz – alles verschwand unter einem bunten Teppich. Vor allem die einen Meter tiefen Regenkanäle waren bis obenhin voll mit Plastikmüll; jeder Niederschlag spülte ihn zentnerweise ins Meer. Gemeinsam mobilisierten Huhn und Fira 1000 Schüler zum ersten "Cleanup Day", stellten Mülltonnen auf, statteten Schulen mit Trinkwasserspendern aus, um die Vermüllung durch Plastikbecher einzudämmen. Vor allem aber haben sie vor fünf Jahren gemeinsam damit begonnen, die erste Müllabfuhr der Gewürzinseln aufzubauen.

Huhn macht das ehrenamtlich für ihren Verein, der sich durch ihren Freundes- und Familienkreis finanziert. Sie lebt von wissenschaftlichen Arbeiten für ihre Uni in Bochum, gibt Tauchunterricht und leitet Exkursionen für Studenten aus Deutschland. Fira ist seit drei Jahren bei Banda Sea fest angestellt. Doch schon als Freiwilliger war er in seinem Dorf Merdeka von Haus zu Haus gegangen, hatte seinen Nachbarn den Unterschied zwischen organischem und anorganischem Müll erläutert; er verteilte Müllbeutel und ließ sie alle drei Tage von Männern mit einer großen Schubkarre wieder abholen. Die ersten zwei Monate war das eine Gratisleistung, finanziert von Banda Sea. Seither zahlen die Leute freiwillig, weil sie den Unterschied sehen. Inzwischen funktioniert das System in vier Dörfern. "Er ist mein Held. Ohne ihn wäre das nie gelungen", sagt Mareike Huhn, während sich auf ihrem Boot die Säcke füllen. Je besser ihre Müllabfuhr funktioniert, desto seltener müssen sie raus.

Heute aber ist Neumond, die Flut in der vergangenen Nacht war 70 Zentimeter höher als an den 14 Tagen zuvor. Insbesondere im Marktviertel Nusantara hat sich das Meer geholt, was dort auf dem Boden gelandet ist. Die Flut spülte es von Stränden, aus Ablaufkanälen und aus Löchern brüchiger Hafenmauern. Magga Fira hat sich schon am frühen Morgen, als er die Müllsuppe sah, auf den Weg ins Marktviertel gemacht. Jetzt ist er in der Hafenstraße unterwegs, verteilt Säcke, sammelt Abfall, spricht mit den Bewohnern. Männer, die in der Hitze dösen, schauen ihm gelangweilt zu. Frauen waschen Wäsche vor ihren blank geputzten Häuschen. Rechts und links davon stapelt sich Müll. Hühner stapfen gackernd darin herum.

"Vor allem den Älteren fällt es schwer, organisch und anorganisch zu unterscheiden", sagt Mareike Huhn, die nach einer Stunde den Pier ansteuert. Ein Tattoo auf ihrem rechten Fußrücken – Souvenir ihres Auslandsjahres, das sie als 16-Jährige in Ghana verbracht hat – ähnelt einer staksenden Ente. Es soll das einfache, naturbelassene Leben symbolisieren, das sie für sich entdeckt hat. Den Kampf für saubere Weltmeere nahm sie mit 21 auf, nachdem sie in Thailand ihren ersten Tauchkurs absolviert hatte. Sie empfand den Zustand der Gewässer als schockierend, die Verschmutzung war jedoch noch vergleichsweise harmlos. In den zwölf Jahren, die seit damals vergangen sind, hat die Menschheit so gut wie die Hälfte des gesamten Plastiks hergestellt, das je auf der Erde produziert wurde – und das nun auch die Bandas überschwemmt. "Für viele ist Abfall nach wie vor ein Teil der natürlichen Umwelt", sagt Huhn. "Sie denken, was sie ins Meer werfen, sei dann weg. Aber es ist nur woanders."

Plastik erstickt Korallenriffe, die bis zu dreimal so viel Sauerstoff produzieren können wie der Regenwald. Es tötet Fische, Schildkröten und Meeressäuger. Viele verhungern, weil sich durch den mit Plastik gefüllten Magen ein nie endendes, finales Sättigungsgefühl einstellt. So wie bei dem jungen Pottwal, dessen Kadaver vorletzte Woche an der spanischen Küste bei Cartagena angespült worden ist – mit 29 Kilo Plastikmüll in Magen und Darm. Im Jahr 2050, so die Prognose pessimistischer Wissenschaftler, wird weltweit so viel Plastik wie Fisch im Meer schwimmen. Ein Großteil treibt hinaus und sammelt sich in einem der fünf riesigen Strudel, in denen sich der marine Kunststoffmüll langsam zersetzt, um dann als Mikropartikel auf den Grund der Tiefsee abzusinken. Studien über langfristige Auswirkungen sind noch wenig zuverlässig.

Trotzdem wollen manche Menschen den Eindruck erwecken, das Problem sei vergleichsweise einfach zu lösen. Der 23-jährige Niederländer Boyan Slat zum Beispiel will in den Strudeln monströse Fangarme verankern und damit das Plastik abfischen. Slat prahlte vor etwa zwei Jahren mit dem Projekt des größten je dagewesenen "Ocean Cleanup", gab vor, er könne binnen fünf Jahren die Hälfte des gesamten Plastiks aus dem größten Strudel holen. Technikgläubige aus dem Silicon Valley haben ihm dafür Millionen gespendet. Viel mehr ist seither nicht passiert. Aber es lebt die gefährliche Illusion, man habe den Müll unter Kontrolle. Mareike Huhn hält das für fragwürdig. Sie kann sich Fangarme durchaus vorstellen, fände sie aber im Einsatz viel wirkungsvoller an Mündungen von Flüssen, die mitunter tonnenweise Plastik ins Meer eintragen. "Es bringt halt wenig, erst am Ende der Kette zu handeln, wenn schon viel Schaden entstanden ist", sagt Huhn. Vor allem glaubt sie nicht an eine schnelle Lösung. Wohl aber daran, dass man schnell handeln muss. "Das Meer liefert gut 70 Prozent unseres Sauerstoffs. Am Ende geht es darum, ob die Menschheit künftig atmen kann."

Während Huhn und ihre Helfer am Strand ihren Arbeitsertrag entladen – rund ein Kubikmeter in fünf Säcken –, steigen auf der Insel Rauchsäulen über Müllfeuern auf. Der Wind trägt beißenden Qualm herüber. Vor allem von Vierteln, wo ihre Müllabfuhr noch nicht funktioniert, rund um den winzigen Flughafen zum Beispiel. Jetzt, bei Ebbe, ist der Schlick kaum zu sehen, so viel Müll liegt auf dem Grund. Bei Flut haben die Fischer Schwierigkeiten, mit ihren Booten abzulegen, weil sich das Plastik um die Schrauben ihrer Motoren wickelt. "Wann kommt ihr mit euren Müllwagen auch zu uns?", fragt einer von ihnen. Aber Magga Fira muss sie vertrösten. Mit Müllwagen allein ist es nicht getan.

"Ich muss die Leute erziehen und immer präsent sein", sagt er. Jeweils für ein Jahr zieht Fira mit seiner Familie in eins der Viertel, um das System einzuführen. Derzeit wohnt er im Dorf Kampoung Baru, wo er auch ein Recyclingprojekt aufbaut, für das er extra eine "Müll-Bank" eingerichtet hat. Umgerechnet rund 2,40 Euro erhalten Sammler für einen großen Sack Altplastik, das Frauen säubern, zurechtschneiden und etwa zu kleinen, bunten Geldbörsen flechten. Die 72-jährige Suni fertigt täglich eine Tasche aus Deckeln von Wasserbechern. Der Absatz ist rege. Sie verdient damit rund 120 Euro im Monat, finanziert so das Studium ihrer Tochter. Entsprechend groß ist der Andrang der Frauen von Kampoung, die sich am Nachmittag im Gemeindehaus über das Recyclingprojekt informieren.

"Wir können die Täschchen auch über eine Freundin von mir in Deutschland verkaufen", ermutigt Mareike Huhn die Runde. Sie hat bereits drei Nähmaschinen aus Privatbeständen aufgetrieben und bei der Weltbank über ein Programm zur Dorfentwicklung die Finanzierung für weitere acht gesichert. Ein Onlineshop ist geplant. Möglichst viel Müll soll einer Wiederverwertung zugeführt werden. Material ist genug da. Zwar landen heute, so schätzt Huhn, 70 Prozent weniger Müll als noch vor fünf Jahren im Meer. Doch die Entsorgung an Land bleibt das große Problem. 20 Tonnen fallen Monat für Monat allein auf der Hauptinsel an. Viel zu viel für die einzige offizielle Müllkippe.

Sie liegt auf einem Hügel, umgeben von Bananenstauden, Papayabäumen und Kokosnusspalmen. Es stinkt erbärmlich. Der kokelnde Berg hat sich über die vier Meter hohen Begrenzungsmauern bis zur Mitte des Zugangswegs gewalzt. Dreimal im vergangenen Jahr haben Arbeiter den Weg frei geschaufelt. Jetzt ist er wieder zugemüllt. Auch deswegen entstehen überall auf der Insel neue, illegale Müllkippen. Und sie wachsen rapide.

Mareike Huhn möchte irgendwann eine Anlage erwerben, die aus Plastik Benzin und Diesel produziert. 20.000 Euro würde das kosten. Sie sammelt dafür mit ihrem Verein in Deutschland. Vor einem Jahr hat sie beim Gouverneur in der Regionshauptstadt Ambon das Müllschiff des Kieler Werft-Erben Dirk Lindenau vorgestellt. Der  Gouverneur schien beeindruckt von dem Konzept, bei dem an Bord des Schiffs der Abfall recycelt wird, ließ aber dann nichts mehr von sich hören. Doch Provinzpolitiker spüren inzwischen, dass die Zentralregierung in Jakarta zumindest sensibilisiert ist. Das liegt zum einen an der UN-Resolution, die Mitgliedstaaten androht, sie vor internationalen Gerichten fur die Verschmutzung von Meeren haftbar zu machen. Vor allem aber hat man erkannt, dass Urlauber nicht in Plastik baden wollen. Videos von Tauchern auf Bali, die sich durch Müll vorwärtskämpfen, gefährden das Geschäft.

Das Präsidialamt der indonesischen Regierung hat verfügt, dass bei Veranstaltungen der Ministerien keine Nahrung mehr in Plastikverpackung serviert werden dürfe. Erst vor ein paar Tagen hat auch der Inselbürgermeister der Bandas auf Geheiß von oben ein Treffen der Ortsvorsteher zum Thema Müll einberufen, obwohl er jahrelang das einzige Müllauto der Insel privat für Bauzwecke vermietet hat. Und nach einem Jahr Funkstille hat sich dann doch noch jener Provinzgouverneur bei Mareike Huhn gemeldet und weitere Informationen zu dem Recyclingschiff erbeten.

Die Wissenschaftlerin hofft, dass sich ihr Konzept mit Müllabfuhr, Recycling an Land und auf einem Müllschiff zu einem weltweiten Modell entwickeln kann. Aber sie weiß, dass nichts schnell passieren wird. "Es bleibt uns momentan nur Katastrophenmanagement", sagt sie tags darauf an Bord der kleinen Fähre zur winzigen Banda-Insel Hatta, eineinhalb Stunden entfernt. Ein Foto des Eilands konnte das Cover des Buchs über Robinson Crusoe schmücken. Glasklar das Wasser, hoch die Palmen, rundum umgeben von intaktem Korallenriff.

Die letzte Flut hat auch hier am Strand Plastikflaschen hinterlassen. Manche decken Schildkrötennester zu. Vor den kleinen Häuschen trocknen Muskatnüsse. Eine Familie hat vor wenigen Wochen ein Krokodil gefangen und in ihrer Hütte angebunden. Sie hält es fur die Reinkarnation des verstorbenen Großvaters, verabreicht ihm Kaffee und Kuchen. Ein Generator liefert drei Stunden am Tag Strom, seit drei Monaten sorgt ein Umsetzer zumindest für sporadischen Handyempfang. Konsum und Tourismus wachsen hier wie im ganzen Land. Die Insulaner ordern via Facebook Pakete bei Internethändlern. Der Geisterglaube lebt wie vor Jahrhunderten. Aber der Plastikmüll, der in den Paketen mit der Verpackung ankommt, stammt aus dem Jahr 2018 – das ist das Dilemma. Magga Fira war eine Woche hier, um die Menschen im Umgang mit Müll aus der Moderne zu schulen. "Ich müsste auch hier ein Jahr bleiben, um das zu vermitteln. Aber ich kann nicht überall sein", sagt er. "Es dauert mindestens eine Generation, bis der Lernprozess abgeschlossen ist." Deswegen hat Mareike Huhn hier 2017 eine Umweltbildungsstation eingerichtet, um eben der nächsten Generation Umweltbewusstsein zu vermitteln.

"Heute gibt es Kino", steht auf der Tafel vor dem gelben Häuschen am Strand. Immer nachmittags so gegen vier, nach der Koranschule, kommen die Kinder zum Malen, Basteln, Vorlesen, Filmeschauen und vor allem zum gemeinsamen Schnorcheln mit Martha, einer Krankenschwester aus Norwegen, die fur Huhns Verein hier als Freiwillige arbeitet. Schnorchel und Maske verleiht sie gratis. Als Gegenleistung sollen die Kinder mindestens ein Stuck Plastikmüll nach dem Tauchgang zurückbringen. Das funktioniert ganz gut. Manche schaffen schon Strandgut heran, wenn sie mittags ankommen, um die Masken zu holen.

Die Stiftung stern unterstützt die Initiative, um die Existenzgrundlage der Menschen zu sichern. Bitte spenden Sie an: IBAN DE90 2007 0000 0469 9500 00 BIC DEUTDEHH – Stichwort "Banda Sea"; www.stiftungstern.de

"Menschen halten den Zustand für normal, den sie aus ihrer Kindheit kennen", sagt Huhn am Abend. Der Lehrfilm über Korallen ist abgespielt, die Malsachen und Bücher sind weggepackt, die Mädchen und Jungen längst zu Hause. Mareike Huhn  möchte, dass die Kinder von Hatta einmal selbst dafür kampfen, das Meer zumindest so zu erhalten, wie sie es rund um ihre Insel jetzt erleben. "Der Traum von den sauberen Weltmeeren ist keine Utopie. Er ist machbar", sagt sie.

Die deutsche Biologin sitzt auf der Mauer hinter ihrer Unterkunft. Gerade ist in den Häusern das Licht erloschen, weil der öffentliche Generator jetzt abgeschaltet ist. Am Himmel funkeln Sterne. Flughunde jagen durch die noch immer heiße Luft. Huhns Blick geht hinaus aufs Meer, dessen Wellen rhythmisch ans Ufer schlagen. Pfeilschnelle Laternenfische sind darin zu sehen. Im Plankton am Ufer blinken fluoreszierende Teilchen, Glühwürmchen des Meeres genannt. Im Schein des Mondes schimmert ein weises Röhrchen, das in der Brandung tänzelt. Es ist ein Deostick der türkischen Marke "She", Modell "Sporty". Die Aufschrift verheißt 24-Stunden-Frische.

© G+J Medien GmbH

Zugang zu allen STERN PLUS-Inhalten und Artikeln aus dem Print-Magazin

werbefrei & jederzeit kündbar