Super-Akkus sollen E-Autos revolutionieren: Das ist wirklich an der Technik dran - EFAHRER.com

2022-09-02 21:51:13 By : Ms. Jack Sun

1.000 Kilometer Reichweite, fünf Minuten Ladezeit: Akkuforscher stellen unglaubliche Eigenschaften für ihre Neuentwicklungen in Aussicht. Vom Forschungslabor bis in die Serienfertigung ist aber ein weiter Weg. EFAHRER.com analysiert die aussichtsreichsten Technologien und liefert die Expertenmeinung zu den wichtigsten Entwicklungen.

Akku-Labore auf der ganzen Welt arbeiten an der Weiterentwicklung der kritischen E-Auto-Komponente. Alle verwendeten Rohstoffe stehen auf dem Prüfstand – neben Kobalt und Lithium kann dabei sogar Kupfer ersetzt werden. Die mit Abstand wichtigste Entwicklung ist der Festkörper-Akku, der vor allem bei der Ladeleistung einen großen Sprung verspricht. Diesen und andere Technologie-Ansätze nehmen wir genau unter die Lupe.

Solid State Akkus (oder Festkörperakkus) geistern schon seit Jahren durch die Presse, befeuert zum Beispiel von Henrik Fisker, der schon für das Jahr 2020 ein Auto angekündigt hatte, das innerhalb von fünf Minuten zu laden sei.

„Solid State“ steht für eine fundamentale Änderung beim Aufbau der Akkuzellen. Statt eines flüssigen Elektrolyts, in dem sich die Lithium-Ionen bewegen können und einer Membran, die Plus- und Minus-Seite der Zelle trennt, gibt es hier eine feste Schicht, die die Rolle des Ionentransports übernimmt. Die Anforderungen an diese Schicht sind sehr speziell: Sie muss elektrisch isolierend wirken, darf den wandernden Lithium-Ionen aber keinen Widerstand entgegensetzen. Auf der Anoden-Seite des Akkus, wo in klassischen Zellchemien Grafit die Lithium-Ionen speichert, kann bei Festkörperakkus einfach metallisches Lithium zum Einsatz kommen.

Aus dieser Grund-Konstruktion ergeben sich mehrere Vorteile: Flüssige Elektrolyte sind einer der Gründe für die Temperaturabhängigkeit von Akkus. Sowohl zu niedrige als auch zu hohe Temperaturen beeinflussen die Fähigkeit, die Ionen zu transportieren. Bei extremen Temperaturen kann der Elektrolyt verdampfen, dadurch Überdruck erzeugen und die Zelle zum Platzen bringen. Die Elektrolyte in klassischen Lithium-Ionen-Akkus sind brennbar – deshalb geht von dieser Eigenschaft Gefahr aus.

Der Übergang der Ionen in das Grafit der Anode ist ebenfalls stark temperaturabhängig: Ist die Anode zu kalt, setzt sie den Ionen einen hohen Widerstand entgegen. Bei hohen Ladeströmen besteht dann die Gefahr dass sich die Lithium-Ionen an der Oberfläche der Anode ansammeln und so genannte Dendriten bilden. Diese kleinen Wucherungen an der Anoden-Oberfläche reduzieren nicht nur die nutzbare Anoden-Oberfläche; weil sie sehr hart sind, nicht wieder abgebaut werden und deshalb immer weiter wachsen, drücken sie gegen die Zellmembran und können diese sogar durchstoßen. Der dann drohende Kurzschluss ist gefährlich.

Das US-Startup Quantumscape, in das zum Beispiel VW schon über 300 Millionen Dollar investiert hat, und das jetzt mit Investitionen von rund einer Milliarde Dollar die Serienproduktion vorbereiten will, ist mit der Industrialisierung einer Festkörperzelle nach eigenen Angaben am weitesten fortgeschritten: Quantumscape setzt auf eine keramische Schicht zwischen Kathode und Anode. Die genaue Beschaffenheit dieses Fest-Elektrolyts ist natürlich geheim – sie soll aber alle Anforderungen erfüllen. Quantumscape bezeichnet das Zell-Design als „anodenlos“,  und meint damit, dass der Minuspol einfach aus metallischem Lithium besteht, das die wandernden Lithium-Ionen ohne Widerstand aufnimmt.

Temperaturabhängig ist die Quantumscape-Zelle trotzdem – auf der Kathoden-Seite ist schließlich immer noch ein flüssiger Elektrolyt im Einsatz. Die Charakteristika der Zelle sind trotzdem beeindruckend: Ist die Zelle auf 45 Grad vorgewärmt, lässt sie sich laut Messprotokollen innerhalb von weniger als zehn Minuten auf knapp 70 Prozent Ladestand bringen. Erst bei 70 Prozent verringert sich der mögliche Ladestrom. 80 Prozent werden in weniger als 15 Minuten erreicht. Rechnet man das auf die Kapazitäten eines Porsche Taycan hoch – das Auto, das heute am schnellsten laden kann, dann würden die Quantumscape-Zahlen bedeuten, dass der 94 kWh große Akku mit mehr als 370 kW geladen werden könnte. In zehn Minuten wäre die Energie für über 200 Kilometer Autobahnreichweite getankt.

Festkörperakkus wollen nicht nur bei den maximalen Entladeleistungen gut sein – weil die Anode aus Lithium sehr viel weniger Platz in Anspruch nimmt als die Grafit-Lösung, und weil die Fest-Elektrolyt-Schicht theoretisch beliebig dünn gemacht werden kann, verspricht der Festkörper-Akku eine große Energiedichte. Genau diese Kombination, die Quantumscape in Aussicht stellt, dürfte für die industrielle Fertigung eine gewaltige Herausforderung werden: Porfessor Fichtner stellt in Interviews dazu fest: „Die grundsätzlichen Eigenschaften der Solid-State-Zelle sind bekannt, und dass man im Labor die Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen kann, ebenfalls. Die praktischen Anforderungen für die Fertigung einer solchen Zelle sind aber groß: Eine keramische Schicht ist mechanisch empfindlich.“ Quantumscape hat bis heute noch keine serienreife Zelle präsentiert, hält aber an der Aussage fest, im Jahr 2024 in der Serienproduktion zu sein.

Die weltweite Akkuforschung ist sehr divers: Jeder einzelne Rohstoff in den Zellen steht auf dem Prüfstand, überall gibt es Alternativen. Zwei Alternativen mit theoretisch großem Potenzial wollen wir hier genauer beschreiben.

Silizium als Anodenmaterial wird schon länger diskutiert. Besonders interessant ist Silizium deshalb, weil es viel mehr Lithium-Ionen aufnehmen kann als Grafit. Während im Grafit-Kristallgitter ein Lithium-Ion von sechs Kohlenstoffatomen gehalten wird, kann ein einziges Silizium-Atom vier Lithium-Ionen binden. Ohne Detailberechnungen ist klar: Eine Silizium-Anode könnte viel kleiner und dünner sein als eine Grafit-Anode. Gleichzeitig wäre sie weniger temperatur-sensibel und sie könnte größere Ladeströme pro Quadratzentimeter Anodenoberfläche aufnehmen.

Leider gibt es die Eigenschaften von Silizium nicht umsonst: Silizium als Kristallgitter ist zwar sehr stabil und hart, wenn es mit Lithium-Ionen angereichert wird, ändert es aber sein Volumen. Ein aufgeladener Akku mit Silizium-Anode wäre aufgebläht, beim Entladen würde die Zelle wieder schrumpfen. Die mechanische Belastung durch diese Größenveränderungen ist Gift für den Rest des Akkus: Insbesondere die Zellmembran kann dadurch belastet und beschädigt werden, was zu Kurzschlüssen führen würde.

Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist eine Nano-Struktur für das Silizium. Die Anode ist dann nicht einfach eine monokristalline Silizium-Schicht, sondern eine gewachsene Struktur aus dem Material. Im Labor gelingt es mit Methoden aus der Halbleiterproduktion, Silizium-Türmchen auf einer Oberfläche wachsen zu lassen, die nach oben immer breiter werden und sich schließlich berühren. Solche Nanostrukturen haben perfekte Eigenschaften für eine Akku-Anode. Die wirksame Oberfläche des Silizium-Gebildes ist riesig, gleichzeitig ist es mechanisch so stabil, dass es Lithium-Ionen ohne Volumenveränderung aufnehmen kann.

Labortests mit solchen Anoden bestätigen die theoretischen Eigenschaften: Mit Silizium-Anoden steht ein riesiger Schritt sowohl bei der Energie- als auch bei der Leistungsdichte in Aussicht.

Von der industriellen Fertigung ist man freilich sehr weit entfernt: Die Nanostrukturen aus den kleinen Labormustern lassen sich noch lange nicht in großem Maßstab produzieren.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Lithium-Luft-Akkumulatoren. Das Grundprinzip dieses Akkutyps weicht völlig von normalen Lithium-Ionen-Akkus ab. Anstatt zwischen Kathoden- und Anoden-Materialien hin und her zu wandern, verbinden sich die Lithium-Ionen in diesem Zelltyp mit Sauerstoff zu Lithium-Oxid. Beim Laden werden dem Lithium-Oxid Elektronen entzogen, das Lithium-Oxid spaltet sich in Lithium-Ionen und Sauerstoff auf, die Lithium-Ionen wandern durch eine Membran zur Anode aus metallischem Lithium. Beim Entladen vollzieht sich das Ganze in der Gegenrichtung, die Lithium-Ionen verbinden sich auf der Kathoden-Seite mit Sauerstoff und absorbieren dabei Elektronen. Die Bewegung der Elektronen wird als elektrische Energie abgegriffen.

Die überzeugendste Eigenschaft von Lithium-Luft-Akkumulatoren ist ihre theoretische gravimetrische Energiedichte. Mit rund 10 Kilowattstunden pro Kilogramm liegt ein solcher Akku in der gleichen Größenordnung wie Benzin. In Laborversuchen wurden die theoretischen Eigenschaften auch schon bestätigt.

Praktisch gibt es aber eine riesige Liste von Problemen bei der Umsetzung. Am offensichtlichsten ist die Tatsache, dass das Volumen eines solchen Akkus überhaupt nicht mit Benzin konkurrieren kann: Der Gasaustausch muss unter sehr kontrollierten Bedingungen erfolgen. „Lithium-Luft“ legt nahe, dass ein Gebläse Außenluft durch den Akku befördert. Tatsächlich reagieren solche Zellen empfindlich auf unreine Gase, sie müssen sogar gegen Außenluft abgedichtet werden. Das würde bedeuten, dass der Sauerstoff, mit dem die Zelle reagiert, in einem Tank mitgeführt werden müsste. Dieser Tank wäre um ein Vielfaches größer als die Akkuzellen selbst. Professor Fichtner reagiert auf Meldungen zu „Durchbrüchen“ bei Labor-Tests mit Lithium-Luft skeptisch: „Das Prinzip ist längst bekannt, dass man das im kleinen Maßstab im Labor zeigen kann, ist auch nichts neues. Und die volumetrische Energiedichte ist noch vollkommen indiskutabel.“

Lithium-Luft-Akkus liegen also, genau wie die Silizium-Akkus in weiter Zukunft.

Dass die aktuelle Technik mit klassischen NMC-Zellen (Nickel-Mangan-Kobalt) längst nicht ausgereizt ist, zeigen die Pläne von Tesla. Auf dem Battery Day im Jahr 2020 gab Elon Musk preis, in welcher Richtung sich die Batteriezellen des E-Auto-Pioniers weiterentwickeln würden – und da spielten neue Materialien gar keine Rolle. Tesla will vielmehr mit neuen Produktionsmethoden und mit anderen Verpackungsmethoden dafür sorgen, dass mehr Kapazität für weniger Geld in ein Auto passt. Wie üblich hängt Tesla bei seinen Plänen etwas hinterher, die damals angekündigte 4680-Zelle sollte längst in Serienautos verbaut sein. Die Richtung von Tesla ist aber klar: Bis zu 50 Prozent mehr Kapazität im Auto, annähernd halbierte Herstellungskosten für den Akku.

In China wird bei CATL und BYD, den beiden wichtigsten Akku-Herstellern, Kapazität für Lithium-Eisenphosphat-Zellen aufgebaut. Diese Zellchemie ist mit ihren geringeren Energiedichten zwar vordergründig ein Schritt in die falsche Richtung. Praktisch bedeuten die Eigenschaften dieser Technik aber, dass Akkumodule einfacher aufgebaut werden können, dass weniger Gehäuse, weniger Kühlung und weniger Sicherheit eingebaut werden muss, was das Gesamtpaket attraktiver macht. Tesla und BYD verkaufen bereits Autos mit dieser Technik, VW und Mercedes haben sich Kapazitäten gesichert und konkrete Pläne geäußert.

Mit Natrium steht ein weiterer großer Schritt an, der zunächst kleinere Energiedichten bedeutet: Natrium ist so billig (es wird aus normalem Kochsalz gewonnen), der Rohstoffaufwand der restlichen Zellchemie so gering, dass mit Natrium ganz neue Anwendungsbereiche erobert werden könnten. Billige Kleinwagen zum Beispiel, aber auch großindustrielle stationäre Stromspeicher, bei denen es nicht auf die Masse und kaum auf die Größe ankommt.

Über Natrium- und Lithium-Eisenphosphat-Akkus haben wir hier ausführlich geschrieben.

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